Post aus Japan: Spieglein, Spieglein an der Wand...

...wer ist der gesündeste im ganzen Land? Ob Spiel, Kommerz oder Medizin – Spiegel zeigen in Nippon inzwischen viel mehr als nur Reflexionen.

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Post aus Japan: Spieglein, Spieglein an der Wand...

Spiegel von Panasonic.

(Bild: Panasonic)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Der digitale Fortschritt bringt nicht nur Elektronikhersteller auf neue Ideen. Japans führender Glashersteller AGC verwandelt sich jetzt vom Smartphone- und Hauslieferanten zum Gadgetanbieter. Das Unternehmen hat einen Spiegel entwickelt, der nicht nur das Ebenbild des Betrachters widerspiegeln dessen, sondern auch dessen Gesundheitszustand.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Mirrorge nennen der Konzern das Gerät, das laut der Wirtschaftszeitung Nikkei im April in Produktion gehen wird. Und hinter dem Spiegelglas liegt jede Menge Technik verborgen: von einem Flüssigkristalldisplay, über Kameras zur Gesichtserkennung und Mikrowellensensoren bis hin zu einem kleinen Computer. Damit verspricht AGC, Puls, Blutdruck und das Gesicht messen und im Spiegel auswerten und dem Betrachter darstellen zu können. Und damit der Spiegel nicht verschmiert, können die Menüs durch kontaktlose Sensoren gesteuert werden.

Doch es ist nicht der Fortschritt digitaler Technik allein, der dieses Produkt möglich macht. Auch der Spiegel selbst wurde verbessert. Bisherige digitale Spiegel litten darunter, dass sie nur 30 Prozent des Lichts reflektierten und daher das Spiegelbild sehr dunkel wurde. AGC verbesserte den Wert nun durch eine neue Oberflächenbehandlung und einen neuen Film hinter dem Glas auf 65 Prozent. Dies soll dem Wert traditioneller Spiegel nahekommen.

AGC ist damit beileibe nicht das einzige Unternehmen, das sich an digitalen Spiegeln versucht. Doch in den meisten Fällen verwandeln die Ingenieure das Gerät in eine Marketingtool, das zusätzliche Informationen anzeigen kann. Auch der Einsatz beim Kleidungskauf ist verlockend.

Der japanische Konzern Panasonic wiederum spielt mit der Funktion eines Concierge im Hotel, über den der Gast Infos abrufen und Essen oder anderes bestellen kann. Eine andere Funktion beliebte Funktion ist die Verwendung digitaler Spiegel als Schminkhilfe. Ein Projekt Panasonics ist in diesem Anwendungsgebiet beispielsweise die Analyse der Haut. Ein zusätzlicher Drucker produziert dann ein passendes Make-up-Pad für die Problemzonen.

AGCs Spiegel kann so profane Dinge wie das Einspielen von Filmen oder Werbung beim Zähneputzen auch. Aber das Unternehmen denkt hauptsächlich an ein anderes Einsatzgebiet: die Gesundheitsvorsorge daheim oder eher in Unternehmen.

So kann der Spiegel in den Waschräumen einer Firma die bisherigen simplen Produkte ersetzen, um den Gesundheitszustand von Mitarbeitern zu erfassen. Die Sensoren verrichten dabei die Hauptarbeit. Die Kamera lichtet das Gesicht ab, damit das System den Mitarbeiter identifizieren und die Daten zuordnen kann.

In vielen Unternehmen dürfte diese Form der Gesundheitsüberwachung zwar vorerst am Widerstand der Mitarbeiter scheitern. Doch der Einzug der Totalüberwachung ist wohl nur eine Frage der Zeit. Schon jetzt führen viele japanische Großfirmen regelmäßig Gesundheitschecks ihrer Mitarbeiter durch, in der zu dicke Mitarbeitern auf ihre überschüssigen Fettpolster hingewiesen werden.

Zudem bieten auch Japans IT-Konzerne wie Fujitsu oder Hitachi vernetzte smarte Mitarbeiterausweise, die künftig in Büros das Erstellen von Bewegungs- und Kommunikationsprofilen der Mitarbeiter erlauben.

Andere Sensoren messen nicht nur Lebenszeichen, sondern auch, ob der Mitarbeiter womöglich gestürzt ist. Bei dieser Vielzahl der Angriffe auf die Privatsphäre ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis immer mehr Systeme alltäglich werden.

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