Pro und Contra zur Internationalisierung der DNS-Aufsicht

Die Frage nach der Internationalisierung der Aufsicht über das Domain Name System ist noch lange nicht ad acta gelegt und kocht auch bei den Debatten des Internet Governance Forum immer wieder hoch.

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Von
  • Monika Ermert

Die Frage nach der Internationalisierung der DNS-Aufsicht ist noch lange nicht ad acta gelegt und kocht auch beim Internet Governance Forum immer wieder hoch. Das Forum war nach Vereinbarungen zwischen Regierungsvertretern auf dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) erstmals im vergangenen Herbst zusammengetreten, um sich über Fragen globaler Netzpolitik zu verständigen – zuvor hatte es im Verlauf des Weltgipfels heftigen Zoff um die Internet-Verwaltung, ihre Internationalisierung und das Beharren der USA auf die Internet-Oberaufsicht gegeben.

Beim Treffen in Genf am gestrigen Dienstag, zu dem sich internationale Regierungen, private Aktivisten und Unternehmensvertreter zur Nachbereitung des ersten Internet Governance Forum zusammenfanden, rückten verschiedene Teilnehmer die heiß umstrittene Frage neben der nach dem Mandat des IGF erneut auf die Tagesordnung. Der Vertreter Brasiliens, Gastgeber des zweiten IGF im kommenden November, forderte diplomatisch, die mit der Netzverwaltung betrauten Organisationen, allen voran ICANN, zum Rapport nach Rio zu laden. Riaz Tayob vom Third World Network sagte: "Root-Server, Domain-Name-Server und IP gehören zu den wichtigen Fragen internationaler Netzpolitik. Werden sie ignoriert, fehlen Kernpunkte in der Diskussion." Das IGF sei im Wesentlichen wegen der Uneinigkeit zur DNS-Aufsicht entstanden, dennoch würde diese Diskussion jetzt marginalisiert oder gänzlich unterdrückt. "Die Befürworter des aktuellen Systems sollten aber nicht versuchen, die Diskussion zu unterdrücken, und die IGF sollte sich nicht zum Handlanger für eine derartige Zensur machen lassen.

Nitin Desai, vom früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzter Vorsitzender des IGF, widersprach. Es gebe kein Thema, das nicht diskutiert werden könne, und von Zensur könne keine Rede sein. In Athen sei durchaus über das Thema diskutiert worden, die Agenda für Rio sei offen. "Allerdings kann es nicht Thema offizieller Verhandlungen sein." Für solche Verhandlungen zwischen Regierungen sei das IGF aber gerade nicht geschaffen. Der brasilianische Delegationsleiter hatte sich dafür ausgesprochen, verbindlichere Schlussdokumente des IGF zu erarbeiten und über ein Mehr an Dialog zwischen den Regierungen nachzudenken. "Tatsächlich sieht das Mandat der IGF im Paragraph 72 durchaus Empfehlungen vor", sagte er. Würde das IGF darauf verzichten, könnte es nach und nach in die Bedeutungslosigkeit versinken. Unterstützung für etwas mehr Engagement von Seiten der Regierungen kam unter anderem auch von der Schweiz, Argentinien und einigen anderen Ländern.

Für die EU-Ratspräsidentschaft unterstrich ein Vertreter des deutschen Wirtschaftsministeriums, das IGF habe seine Rolle als "neutraler, nicht verbindlicher und komplementärer Prozess" erfüllt. Mehr will man vom IGF nicht. Eine US-Vertreterin beschränkte sich auf ein lapidares Lob für das Modell der Beteiligung von Regierungen, Privatwirtschaft und Nicht-Regierungsorganisationen, das so genannte "Multistakeholder-Modell", das auf jeden Fall erhalten werden müsse. Vertreter verschiedener US-Verbände warnten vor einer "eigenmächtigen Ausweitung des Mandats".

Möglicherweise müsse für das formal so neue IGF auch eine neue Form von Entschließungen gefunden werden, sagte Wolfgang Kleinwächter, Berater von Desai. Ein Mittelweg zwischen klassischer Regierungsdiplomatie und freischwebender "Quatschbude" könnte die Aussendung von "Mitteilungen" durch das IGF an verschiedene Organisationen sein. Diese könnten durchaus verschiedene Positionen erwähnen. IGF Sekretariatschef Markus Kummer sagte, ein Teil der IGF-Teilnehmer sei durchaus zufrieden mit einen "Talking Shop". Desai räumte ein, dass man wohl kaum fünf Jahre – so lange läuft das IGF-Mandat – nur reden könne.

Wie heikel das Thema Netzpolitik ist, zeigt auch Desais Zurückhaltung auf Nachfragen zu dem beim Weltgipfel zusätzlich zur Einrichtung des IGF eigentlich beschlossenen Prozess einer "verbesserten Zusammenarbeit" in Netzfragen. Desai mochte zu den von ihm geführten bilateralen Konsultationen mit "zahlreichen Regierungen und Nichtregierungsvertretern" nicht mehr sagen, als dass er den neuen UN-Generalsekretär darüber informiert habe. Der ist in Bezug auf Internetpolitik noch ein unbeschriebenes Blatt. "Mein Mandat ist beendet," sagte Desai und räumte gegenüber heise online ein, die Ergebnisse der Konsultationen würden möglicherweise eine "interne Angelegenheit" bleiben. Damit dürften vor allem die nicht konsultierten Regierungen kaum zufrieden sein. Warten auf Signale aus Genf muss auch die unter Annan eingesetzte IGF-Beratergruppe, die als eine Art Programmkomitee fürs Athener Treffen fungiert hatte. Desai befürwortet, die Beratergruppe fortzuführen, eventuell ein klareres Prozedere für deren Besetzung vorzusehen, aber vor allem schnell mit den Vorbereitungen für das Rio-Programm zu beginnen.

Vertreter der dynamischen Koalitionen zum Datenschutz, zu Meinungsfreiheit im Cyberspace, zum großen Thema Urheberrecht, zu einer Internet Bill of Rights und zum Thema Open Standards drängen insbesondere auf eine rasche Themenplanung. In den "Dynamic Coalitions" sind jeweils, auf freiwillger Basis, alle drei Gruppen von Betroffenen (neudeutsch Stakeholdergruppen genannt) vertreten – Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Im weiteren Verlauf des Internet Governance Forum der UN sollen die dynamischen Koalitionen jeweils ein Thema betreuen beziehungsweise Lösungen voranbringen. Der Zusammenschluss von Organisationen und Akteuren, die zu einem Thema im Bereich der Koordination und Regulierung des Netzes arbeiten, gehört zu einem der zentralen Ziele, die beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft formuliert wurden. Vertieft werden soll nach Ansicht vieler IGF-Teilnehmer auch das Thema Interconnection-Preise. Schließlich gilt es laut einhelliger Meinung aller Beteiligten, die Teilnahme durch Vertreter aus den Entwicklungsländern zu ermöglichen; und wenn das am Ende nicht klappt, sollen immerhin beste Bedingungen für eine Teilnahme übers Netz geschaffen werden. Dann könnten statt ein paar tausend Teilnehmern, zehn-, zwanzig- oder hundertmal so viele Teilnehmer dabei sein, meinte Desai. (Monika Ermert) / (jk)