zurück zum Artikel

Programme und Positionen zur Europawahl 2019: AfD

Detlef Borchers
Programme und Positionen zur Europawahl 2019: AfD

Die AfD sieht in Europa zumeist keinen Teil der Lösung, sondern des Problems. Das durchzieht das Parteiprogramm auch in Bezug auf Digitalisierung etc.

Die Alternative für Deutschland (AfD) steht der europäischen Idee skeptisch bis ablehnend gegenüber. In einer Talkshow erklärte der AfD-Politiker Guido Reil (Platz 2 der Wahlliste), dass das EU-Parlament so überflüssig sei wie ein Pickel am Allerwertesten. Andererseits freute sich AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen, dass mit der EU-Wahl ein neues Kraftzentrum im EU-Parlament entstehen werde: Der als "Salvini-Liste" gehandelte Zusammenschluss der europäischen Rechtsaußen dürfte nach den Prognosen auf ca. 20 Prozent kommen. Das wären um die 170 Sitze im EU-Parlament für die geplante "Europäische Allianz der Völker und Nationen" und könnte reichen, um die zweitstärkste Fraktion zu bilden.

Entsprechend der nationalen Ausrichtung der Partei beginnt das 86 Seiten starke Europawahlprogramm der AfD [1] mit einer Absage an die europäische Idee. Zwar könne es angehen, wenn benachbarte Staaten kooperierten. Der Versuch, 28 Staaten unter einem europäischen Dach zusammenzubringen, sei jedoch zum Scheitern verurteilt. Weder gebe es ein Staatsvolk noch das Mindestmaß an "kultureller Identität", das solch ein Gebilde tragen könne. Besonders deutlich sei dies in der Abwehr der Migration geworden.

Die Programme der Parteien zur EU-Wahl

(Bild: 

Markus Gann/Shutterstock.com/Etereuti/heise online

)

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 geht es auch um Digitalthemen. Wir stellen die Positionen und Programme der aussichtsreichen Parteien in einer Serie vor.

Die AfD spricht sich daher im Programm gegen jede Form europäischer Zentralisierungen aus. Besonders deutlich wird dies im Finanzteil mit der Ablehnung des Euros. Als Alternative zum EU-Parlament möchte die Partei künftig alle europäischen Grundfragen durch nationale Volksabstimmungen klären lassen.

Die Digitalisierung dürfe nicht zur Überbürokratisierung und zentralistischen Steuerung führen. Mehrfach nennt das Wahlprogramm der AfD die DSGVO [8] als abschreckendes Beispiel einer gesamteuropäischen Regulierung und fordert die komplette Abschaffung der Regelung und die Rückkehr zu einem nationalen Datenschutz. "Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht exemplarisch für die völlige Fehlentwicklung von Regularien."

Auf europäischer Ebene soll die Digitalisierung aber gemeinsam von allen Ländern in neuen Forschungsfeldern genutzt werden, um technisch führende vertrauenswürdige europäische Hard- und Softwarelösungen zu entwickeln. Europa dürfe hier nicht vom Ausland abhängig sein. "Ziel muss die Entwicklung von neuen, wettbewerbsfähigen und vertrauenswürdigen Hard- und Softwarelösungen auf Basis offener Quelltexte und Spezifikationen mit dem Anspruch weltweiter Technologieführerschaft sein." Netzpolitische Forderungen sind im Europaprogramm der AFD nicht enthalten.

Zum Schutz vor einreisender Kriminalität und des Anstiegs der Straftaten von Zuwanderern fordert die AfD eine Änderung des Schengener Abkommens, damit die Nationalstaaten wieder über ihre Sicherheit an den eigenen Grenzen entscheiden können, "wie dies von Ungarn beispielhaft vorgelebt wird". Die europäische Grenzagentur Frontex soll verpflichtet werden, aufgegriffene Bootsflüchtlinge nur in die jeweiligen Ausgangshäfen zurückzuführen und nicht etwa nach Europa zu bringen.

Eine Abschaffung des Bargelds [9] wird strikt abgelehnt, weil so die Vollüberwachung aller Bürger durch Banken und die EU möglich wäre. Weitere Aussagen etwa zur staatlichen Überwachung stehen nicht im Wahlprogramm, allerdings gibt es einen Passus, der den Bürger schützen soll und als Beitrag zur IT-Sicherheit verstanden werden kann: "Die Nutzung von IT und Internet kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn digitale Netze und Angebote vertrauenswürdig sind und die Privatsphäre der Benutzer gewahrt ist. Wir unterstützen Maßnahmen zur Stärkung der informationellen Selbstbestimmung und den Einsatz leistungsfähiger Verschlüsselungstechniken (Kryptographie)."

Weiterhin soll die IT-Sicherheit durch einen Rechtsanspruch auf Sicherheitsupdates sowie durch eine längere gesetzliche Gewährleistungspflicht für "langlebige internetfähige Geräte" verbessert werden. Verbraucher und kleine und mittelständische Unternehmen sollen besser in Fragen der IT-Sicherheit informiert werden.

Die DSGVO habe zu einer "Entdigitalisierung" geführt, heißt es im Europaprogramm, das diese Form des Datenschutzes abschaffen und grundlegend neu fassen will. Zu den Datensammlungen von Facebook und Co. gibt es keine Aussagen, dafür aber positioniert sich die AfD als entschiedener Streiter für die Meinungsfreiheit: "Wir lehnen die geplante Einführung von Upload-Filtern daher ebenso kategorisch ab wie Überlegungen, eine Zensur sozialer Medien im staatlichen Auftrag nach dem Muster des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) auf EU-Ebene einzuführen."

Jede Form von EU-Steuern oder Bestrebungen auf europäischer Ebene, Steuerhinterziehungen oder -Verschiebungen zu bekämpfen, wird von der AfD abgelehnt, da die EU kein Staat sei. Steuerhinterziehungen müssten nach Meinung der Partei durch Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland eingedämmt werden, während die OECD für die Verfolgung von Steuerstraftaten zuständig sein sollte. Ansonsten dürfe die nationale Steuerhoheit der EU-Länder nicht angetastet werden. Hier gibt sich das Europa-Wahlprogramm universalistisch: Eine Besteuerung von Finanztransaktionen werde die AfD nur zustimmen, wenn sie weltweit auch außerhalb der EU an "allen Handelsplätzen" eingeführt wird.

Die AfD leugnet, dass der Klimawandel menschengemacht ist und schreibt deshalb in ihrem Wahlprogramm: "Wir bezweifeln aus guten Gründen, dass der Mensch den jüngsten Klimawandel, insbesondere die gegenwärtige Erwärmung, maßgeblich beeinflusst hat oder gar steuern könnte. Klimaschutzpolitik ist daher ein Irrweg." Alle Anstrengungen, eine Energiewende herbeizuführen, werden im Programm als "Wende hin zu einem ökologistischen Planungs- und Zwangsstaat mit gewollter Mangelwirtschaft" dargestellt.

Dementsprechend lehnt die AfD auch den Einsatz von Smart Metern innerhalb von Smart Grids ab, denn beide Teile der künftigen Stromversorgung werden als Ausdruck staatlicher Zwangswirtschaft gesehen. Mit dem Wahl-Slogan "Diesel retten" werden alle EU-Pläne zur E-Mobilität abgelehnt. E-Fahrzeuge seien in Bezug auf die individuelle Mobilität alltagsuntauglich und würden zudem die Wertschöpfungskette der Automobilindustrie nach Asien verlagern, wo Batterien hergestellt werden.

Das Urheber- und Medienrecht wird auf der EU-Ebene von der AfD in einem Atemzug mit der angeblich verkorksten DSGVO genannt, wenn es gegen weitere Ansätze zu einer europaweiten Regulierung heißt: "Weitere in Arbeit befindliche Verordnungen wie die Reform des Urheberrechts und die Maßnahmen zur Umsetzung (Upload-Filter, Leistungsschutzrecht) oder die Pläne zur 'Beweissicherung in der Cloud' und Zugriff (Cloud-Act) durch die USA sind nicht im Interesse der europäischen Bürger." Weitere Aussagen zum Medienrecht, etwa zu den deutschen öffentlich-rechtlichen Medien, von der AfD so titulierten "Zwangsmedien" gibt es im Europaprogramm nicht.

Auch in Bezug auf die Forschung betont das Wahlprogramm die europakritische Haltung der AfD, wenn es etwa zur Bildung heißt: "Die von der EU vorgestellten Konzepte zur Förderung der Digitalisierung dürfen nicht in die Bildungssouveränität der Mitgliedsstaaten eingreifen." Abseits der Bereitstellung von digitalen Medien für das Lernen in Schulen und Universitäten zieht das Programm eine klare Trennlinie: "Abzulehnen sind alle Bestrebungen, den Unterricht selbst zu digitalisieren, die Erarbeitung von Wissen aus dem analogen Lernprozess herauszulösen, um die Lehrerpersönlichkeit durch das Medium zu ersetzen."

Bei der Forschung und Entwicklung will die Partei den europäischen Wohlstand fördern, der durch die Politik behindert werde. "Aus diesem Grund stehen wir für einen entpolitisierten und ideologiefreien Forschungsbetrieb und fordern dessen strikte politische und weltanschauliche Neutralität." Dafür ist man durchaus bereit, in der Forschung gemeinsame Wege zu gehen, wie bei der Entwicklung von Hard- und Software im Namen einer europäischen Souveränität. "In bestimmten Fällen halten wir es für sinnvoll, gemeinsame Forschungsstrategien für wichtige Schlüsseltechnologien (z. B. Hardware und Software) zu entwickeln und diese als Gemeinschaftsaufgabe zu fördern."

Auch die AfD möchte die Forschung auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz mit Fördergeldern gestalten, setzt sich hier aber von der europäischen Zusammenarbeit ab, weil diese nicht flexibel genug organisiert werden könne. "Beispielhaft seien hier Raumfahrtprogramme und Programme zur Entwicklung von künstlicher Intelligenz genannt. Die systemimmanente Schwerfälligkeit der länderübergreifenden Zusammenarbeit darf nicht dazu führen, dass wir gegenüber flexibleren Akteuren ins Hintertreffen geraten."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung [10].

(mho [11])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4424285

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.afd.de/europawahlprogramm/
[2] https://www.heise.de/news/Programme-und-Positionen-zur-Europawahl-2019-CDU-CSU-4421045.html
[3] https://www.heise.de/news/Programme-und-Positionen-zur-Europawahl-2019-Die-Gruenen-4422278.html
[4] https://www.heise.de/news/Programme-und-Positionen-zur-Europawahl-2019-SPD-4423322.html
[5] https://www.heise.de/news/Programme-und-Positionen-zur-Europawahl-2019-AfD-4424285.html
[6] https://www.heise.de/news/Programme-und-Positionen-zur-Europawahl-2019-Die-Linke-4425903.html
[7] https://www.heise.de/news/Programme-und-Positionen-zur-Europawahl-2019-FDP-4426998.html
[8] https://www.heise.de/thema/DSGVO
[9] https://www.heise.de/news/Die-deutsche-Liebe-zum-Cash-Nur-Bares-ist-Wahres-3929290.html
[10] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[11] mailto:mho@heise.de