Programmiersprache: Visual COBOL 6.0 soll die COBOL-Entwicklung modernisieren
COBOL soll durch das Major Release von Visual COBOL 6.0 und der Enterprise Suite 6.0 mit Refactoring-Tools, modernen IDEs und neuen APIs Cloud-fähiger werden.
- Silke Hahn
Das britische Software-Unternehmen Micro Focus hat die allgemeine VerfĂĽgbarkeit von Visual COBOL 6.0 und der Enterprise Suite 6.0 bekanntgegeben, womit das Unternehmen die Entwicklung von COBOL-Produkten fĂĽr den digitalen Einsatz und in der Cloud fortsetzt.
Migration für Geschäftsdaten auslaufender COBOL-Programme
Neue Refactoring-Tools im aktuellen Release sollen es Entwicklern ermöglichen, die Kerngeschäftslogik und -daten auslaufender COBOL-Programme zu extrahieren, in modernen Entwicklungsumgebungen wie Visual Studio sollen sie damit neue COBOL-Anwendungen erstellen, bereitstellen und verwalten können. Micro Focus zielt dabei offenbar auf die Cloud und hat erweiterte Unterstützung für Docker-Container und Kubernetes an Bord.
Die Enterprise-Suite soll IBM-Mainframe und COBOL-Systeme behutsam modernisieren helfen durch zeitgemäße Analyse-, Entwicklungs- und Testing-Tools. Das Bereitstellen von Anwendungen On-Premises und in der Cloud ist dabei laut Release Notes vorgesehen. Mit Visual COBOL soll die Programmiersprache in Entwicklungsumgebungen wie Visual Studio und Eclipse integrierbar sein.
Laut Reuters basierten vor zwei Jahren noch immer über 40 Prozent der Systeme im Bankwesen in den USA auf COBOL, bei Transaktionen über Geldautomaten (ATM Swipes) basierten wohl sogar 95 Prozent auf COBOL-Code. In Behörden, die in den 1970er-Jahren bei IBM Mainframe-Systeme eingekauft hatten, ist die Sprache ebenfalls tendenziell noch relevant, wie zum Beispiel bei den US-amerikanischen Arbeitsämtern. COBOL-Anwendungen werden derzeit sogar in die Cloud gehievt, daher dürfte die Programmiersprache auch die kommenden ein, zwei Jahrzehnte weiterhin eine Rolle spielen.
Ein Dinosaurier im Cloudzeitalter
Dass COBOL sich in die Gegenwart retten konnte, liegt sicherlich darin begründet, dass es für Unternehmen kompliziert und teuer sein kann, einmal etablierte und historisch gewachsene Systeme auszutauschen. Firmen wie IBM, Micro Focus und Compuware bieten weiterhin COBOL-Produkte an und haben in den vergangenen Jahren den Schwerpunkt auf Migrationsszenarien gesetzt sowie das Design der grafischen Oberflächen zeitgemäß aktualisiert. Die Sprache scheint nach wie vor in Unternehmen wie Banken und in einigen Behörden verbreitet zu sein und ist offenbar nicht totzukriegen, obwohl sie unlängst ihren 60. Geburtstag feierte.
Eine Umfrage von Micro Focus im Frühjahr 2020 hatte ergeben, dass Unternehmen mit bestehenden COBOL-Anwendungen diese tendenziell eher modernisieren als austauschen. Im Zuge der Corona-Pandemie war die 60 Jahre alte Programmiersprache COBOL besonders in den USA durch weiterhin starke Verbreitung in Behörden stärker gefragt, und die Nachfrage nach Programmierern mit Kenntnissen in dieser eigentlich veralteten und eng mit der Verbreitung der IBM-Mainframe-Systeme der 1970er Jahre verbundenen Sprache stieg. Erfahrene COBOL-Programmierer mussten aus dem Ruhestand geholt werden.
COBOL: Diskrepanz zwischen Lehrplanangebot und Nachfrage
"Steigende Nachfrage" ist hierbei relativ, da COBOL schon seit geraumer Zeit nicht mehr im regulären Lehrplan vertreten ist und in bestimmten Branchen Kenntnisse dieser Sprache dennoch weiterhin notwendig sein dürften, die darin aktiv Bewanderten jedoch schon aus Altersgründen weniger werden. Das Missverhältnis zwischen Lehrplanangebot und Nachfrage ist seit einigen Jahren wiederholt ein Thema mit offenen Fragen.
Weitere Details zu Visual COBOL 6.0 lassen sich den Release Notes entnehmen, Interessierte können es auf Azure testen. Für die Enterprise Suite zur Modernisierung von Anwendungen für Mainframe-Systeme hat Micro Focus eine eigene Website eingerichtet.
[Update-Hinweis vom 01.07.2020: Weitere Quellen zur kontroversen Diskussion über die Nachfrage nach COBOL-Kenntnissen ergänzt.] (sih)