Prusa MK4S: Neuer 3D-Drucker druckt noch schneller – auch extreme Überhänge

Der tschechische 3D-Druckerhersteller Prusa kommt ohne großes Ankündigungstamtam mit dem Modell Prusa MK4S um die Ecke. Wir konnten ihn uns schon anschauen.

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Prusa MK4S mit neuer Kühlung

Der Prusa MK4S druckt mit einer Rundumlüftung auch extreme Überhänge

(Bild: Prusa)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Michael Link
Inhaltsverzeichnis

Unerwartet hat der 3D-Druckerhersteller Prusa mit dem Modell Prusa MK4S ein Upgrade für sein Modell Prusa MK4 vorgestellt. Er wartet mit einigen lang erwarteten Änderungen auf, aber nicht unbedingt mit denen, die von führenden Glaskugelbenutzern vorhergesehen wurden. Wir konnten bereits Hand ans Gerät legen und uns einen ersten Eindruck verschaffen.

Der MK4S ähnelt naturgemäß seinem Vorgänger ohne "S". Wer genau hinschaut, erkennt das neue Modell durch den neuen Lüfter am Extruder.

(Bild: Prusa)

Der MK4S ist laut Hersteller ab sofort lieferbar und löst den MK4 faktisch ab, da er genauso viel kostet wie der Vorgänger: für 1199 Euro ist das Fertiggerät zu haben, für 889 Euro der Bausatz. Das Upgrade-Kit vom MK4 auf den MK4S kostet 109 Euro kosten und wird laut Prusa ab Ende August ausgeliefert.

Das auffälligste Element ist die neue Kühlung. Sie ermöglicht es, auch extreme Überhänge bis zu 75 Grad zu drucken. Bislang muss man bei vielen 3D-Druckern schon bei weitaus geringeren Überhängen Stützstrukturen einplanen und vom Slicer ergänzen lassen, damit die überhängenden Teile nicht absinken. Das verlängert die Druckzeit signifikant. Nach dem Druck muss man zudem die Stützen mühselig entfernen und entsorgen – nicht selten geht dabei viel Filament als Abfall drauf.

Bei unserem Stresstest war die Belüftung vernehmlich zu hören, doch läuft der Lüfter bei weniger anspruchsvollen Modellen mit geringerer Drehzahl und fächelt dem Filament dann deutlich leiser die Luft zu. Der Rundumlüfter fällt auf, denn die Luftführung verläuft fast ganz um die Filamentdüse herum, sodass sie kaum noch zu sehen ist. Die kühlende Luft wird also von allen Seiten aufs Modell geblasen. Eine nur einseitige Kühlung könnte dazu führen, dass sich Teile des Modells verziehen, weil sie noch wärmer sind als benachbarte Teile des Drucks.

Probedruck in der Redaktion: Das Modell mit extremen Überhängen in alle Richtungen landete ohne Probleme auf dem Druckblech.

In der Redaktion druckte der MK4S als Prüfmodell einen Teller mit starken Überhängen. Das Ergebnis fiel sehr gleichmäßig aus, ohne dass die Überhänge je nach Richtung unterschiedlich durchhängen: Der obere Rand war absolut planparallel zur Unterseite, da wackelte nichts.

Ein neuer Lüfter im Upgrade wäre in jedem Fall ratsam gewesen, denn er hat mengenmäßig mehr Filament zu kühlen. Im MK4+ verflüssigt eine High-Flow-Düse das Filament von der Rolle. Damit gelangt mehr Baumaterial während der gleichen Zeit aufs Druckbett: Das ist nicht immer so, aber beispielsweise günstig, wenn Infills gedruckt werden sollen, die einen hohen Filamenthunger haben. Bei PLA wird laut Datenblatt bei einem Standard-Düsendurchmesser von 0,4 mm der Ausstoß von 16 auf bis zu 24 Kubikmillimeter gesteigert, bei einer Düse mit 0,6 Millimeter Bohrung sogar auf bis zu 30 Kubikmillimeter. Die neue Düse wurde zusammen mit dem Hersteller Bondtech entwickelt. Er hat in der 3D-Druckszene ein Renommee erworben, weil er Extruder-Umbausätze aller Art schon lange auch für andere Drucker feilbietet. Praktisch wirkt sich die erhöhte Durchflussmenge durch verkürzte Druckzeiten aus.

Die High-Flow-Filamentdüse im Prusa MK4S kann eine größere Filamentmenge während des Drucks auf Temperatur bringen als die Standarddüse des MK4.

(Bild: Prusa)

Wir druckten auch einige andere Modelle, was einen Vergleich mit dem MK4 zulässt. Ein Fidget Cube, also ein Fingerspielzeug aus beweglichen Würfeln, die über Scharniere verbunden sind und als ein einziges Teil gedruckt werden, verlangt ziemlich hohe Präzision, damit alle Teile beweglich sind. Hier sparte der MK4S gegenüber dem MK4 im Schnelldruck mit Input-Shaper-Profil und Standarddüse bei einer Druckzeit von 1 Stunde und 14 Minuten nur 6 Minuten. Auffällig war auch die besserer Qualität, insbesondere der Scharnierelemente.

Zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt Prusa damit, dass einige Teile des MK4S nicht wie beim Vorgänger selbst aus PETG-Material 3D-gedruckt sind, sondern im Spritzgussverfahren entstehen. Dazu verwendet der Hersteller eine Mischung aus Polycarbonat und Carbonfasern. Das soll nicht nur temperaturfester und stabiler sein, sondern es entlastet auch die Prusa-Druckerfarm in Prag selbst. Geändert wurden speziell das Gehäuse des Steuerungspanels sowie die Abdeckung für den Nextruder, also den Druckkopf.

Prusa hat einige Teile, die sonst im 3D-Druck entstanden sind, durch Spritzgussteile ersetzt, etwa das Displaygehäuse.

(Bild: Prusa)

Auch der Vorgänger war schon leicht in Betrieb zu nehmen, und der MK4S lief inklusive Auspacken und Selbsttest nach zehn Minuten. Nach WLAN-Netzen für die Verbindung zum Druckmanagement Prusa Connect sucht der MK4S selbsttätig. Auch eine Konfiguration mittels QR-Code oder einer Zugangsdatenübernahme vom Slicer stehen zur Wahl. Praktisch bedeutet das, dass man sich das Überspielen der Druckdaten auf einen USB-Stick (bei älteren Geräten sogar auf eine SD-Karte) sparen kann und Druckaufträge vom Slicer direkt via WLAN und Prusa Connect zum Drucker schicken kann. Das meiste ging zwar auch schon beim Vorgänger so, doch das Zusammenspiel von Prusa Connect und Drucker hat sich mit den Änderungen verbessert und einfacher zugänglich.

Neu ist auch eine native App für Android- und iOS-Smartphones. Wir konnten sie uns bisher nicht anschauen, sie ist für den Verkaufsstart angekündigt. Damit holt man mehr oder minder Prusa Connect aufs Smartphone und kann somit seine Drucker auch unterwegs überwachen. Damit kann man laut Prusa Drucke starten, pausieren und fortsetzen sowie – wichtiger – einen Druckauftrag direkt von der Modelldatenbank Printables auslösen. Gerade zeitraubende Drucke liegen dann schon auf dem Druckblech, wenn man zurückkehrt, vorausgesetzt, man hat den Drucker vorm Verlassen des Hauses mit Filament bestückt.

Per Smartphone-App kann man ihn auch per NFC einrichten und unterwegs auf den Drucker zugreifen.

(Bild: Prusa)

Mit einem NFC-fähigen Smartphone verkürzt sich mit der App auch die Einrichtung, den per Tap kann etwa die WLAN-Verbindung zum Heimnetz etabliert werden.

Eher für Bastler und Leute, die den Drucker um Funktionen erweitern wollen: Für den MK4S gibt es als Zubehör ein kleines GPIO-Board für die Hauptplatine. Es kann mit G-Code-Kommandos dazu programmiert werden, etwa eine aufs Druckbett gerichtete Kamera ein- und auszuschalten beziehungsweise eine Beleuchtung zuzuschalten, Servomotoren zu steuern oder irgendwelche andere Dinge zu tun, die per G-Code zu steuern sind.

Mit dem optional erhältlichen GPIO-Board kann man den Funktionsumfang durch Steuerung mit G-Code-Befehlen erweitern.

(Bild: Prusa)

Der MK4 brachte als wichtige und sehr zeitsparende Neuerung mit, dass Resonanzschwingungen unterdrückt werden, die das Druckbild durch Ghosting beeinträchtigt. Der "Input Shaper" analysiert die Eigenbewegung des Druckers und gleicht die Druckkopfbewegungen danach an. Das hat zur Folge, dass man mit höheren Geschwindigkeiten in guter Qualität drucken kann. Das Feature hat auch der MK4S. Es ist aber weder beim MK4, noch beim MK4S so, dass dazu ein im Gerät eingebauter Beschleunigungsmesser die Eigenbewegungen des Druckers vermisst und danach Korrekturwerte ausspuckt. Stattdessen nutzt Prusa Werte, die empirisch mithilfe zahlreicher Drucker vom Hersteller errechnet wurden.

Vielfach spekulierte man, dass die nächste Bettschubser-Generation von Prusa die beiden Techniken "Input Shaper" sowie "Pressure Advance" mit einem Sensor veredelt. Dessen Job wäre es, neue Ausgleichswerte zu berechnen, wenn man etwa den Extruder oder andere beschleunigungsrelevante Teile des Druckers umgebaut hat und sich damit die Resonanzverhältnisse geändert haben.

Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Indes unterstützt der MK4S nunmehr aber immerhin Akzelerometer-Bausteine, die man von anderswo beschafft und bietet einen Workflow im Drucker, der eine komplette Kalibration umfasst.

Der MK4S hat auf den ersten Blick wenige Änderungen vorzuweisen, aber für einen Upgradepreis von 109 Euro bekommt man zwei gewichtige Neuerungen, die sich auf vorwiegend auf das Tempo beim Druck auswirken. Die nun deutlich steiler möglichen Überhänge sparen beim Druck Zeit und Filament durch Wegfall vieler sonst nötigen Stützstrukturen. Einen Schritt zu noch mehr Tempo stellt auch die Düse mit höherer Durchflussmenge dar.

Die jüngste Sommeraktion des Herstellers, der für im Aktionszeitraum mit Gratisversand bestellte Bausätze einen Gutschein über 100 Euro bekommt im Nachhinein einen Sinn, denn den kann man gleich fürs Upgrade einlösen. Wer einen Fertigdrucker gekauft hat, hat diesen Vorteil nicht, hat stattdessen nur eine um ein Jahr erweiterte Garantie.

(mil)