Psychologe sieht große Gefahren für Kinder durch gewaltverherrlichende Spiele

"Zur Abwendung von Gefahren müssten wir die freie Marktwirtschaft zum Beispiel bei Internet oder Computerspielen stark einschränken", sagte der Kinderpsychologe Georg Romer im Interview mit der "Zeit".

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Gewaltverherrlichende Videospiele sind nach Ansicht des Kinderpsychologen Georg Romer eine große Gefahr für die seelische Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen. Romer, stellvertretender Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, fordert daher hier einen ähnlich breiten Konsens in der Gesellschaft wie beim Schutz der Kinder vor pornografischen Bildern, sagte er in einem Interview der morgen erscheinenden Wochenzeitung Die Zeit.

Der Zusammenhang von Gewaltbereitschaft und gewaltverherrlichenden Videospielen sei inzwischen "gut belegt". Welches Kind gewalttätig wird und welches nicht, lasse sich nicht vorhersagen, sagte Romer. "Wir wissen aber, dass durch eine Überflutung mit medialen Bildern massiv in die Kartografie der Kinderhirne eingegriffen wird. Insbesondere Kinder im Grundschulalter müssen vor medialer Reizüberflutung geschützt werden."

Dabei seien Jungen gefährdeter als Mädchen. "Jungs sind von Natur aus wettkampforientiert, suchen die Auseinandersetzung", sagt Romer. Das sei gesellschaftlich nicht mehr erwünscht, daher verlegten Jungen ihre Wettkämpfe in virtuelle Welten. Auch auf der Suche nach erwachsenen Vorbildern hätten Jungen es heute schwerer als Mädchen. Jungs müssten sich "zwischen den Stoppschildern 'Vorsicht Macho!' und 'Vorsicht Weichei!' durchlavieren". Jungen, die in Computerspiele fliehen, seien in ihrer Männlichkeitsrolle verunsichert. Früher seien Figuren wie Winnetou Vorbilder mit großer Faszinationskraft gewesen. Nun sieht Romer den Sport als eine gute Alternative zur Bildschirmflut. Hier hebt der Psychologe den ehemaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann hervor.

Im "Dauerquasseln" per Handy und das "Überhandnehmen der Flatrates" meint Romer erkennen zu können, dass die sozialen Bindungen zu anderen nichts mehr wert seien. Nur ein Kleinkind müsse seine Mutter stets verfügbar haben. "Wird der Mensch erwachsen, erlebt er, dass Beziehungen umso verlässlicher tragen, wenn man sich nicht in einem fort sieht. Dass sie in der Tiefe der Seele über längere Zeit nachwirken müssen." Die Menschen suchten nach Symbolen wie zum Beispiel Ringen, um ihre Zusammengehörigkeit zu spüren. Das gehe durch eine dauernde akustische Verbindung verloren.

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(anw)