Puigdemont darf doch als Kandidat antreten

Puigdemont, Aufnahme vom 10 October 2017

(Bild: Generalitat de Catalunya / Weiterverwendung erlaubt )

Verfassungsgericht watscht spanische Regierung beim Versuch ab, Puigdemont als Kandidat präventiv zu verbieten, allerdings traten die Richter Rajoy nicht wirklich vors Schienbein

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Die rechte spanische Regierung hatte am Freitag das Verfassungsgericht in eine sehr schwierige Situation gebracht, als erstmals gegen den Beschluss des Staatsrats eine Verfassungsbeschwerde eingereicht wurde.

Die Regierung von Mariano Rajoy wollte verhindern, dass der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont als Kandidat für die Amtseinführung am Dienstag antreten kann. Der Staatsrat, der in solchen Fragen konsultiert werden muss, sah keine Basis für dieses Ansinnen der Regierung von Mariano Rajoy, da Puigdemont keinerlei politischen oder bürgerlichen Rechte aberkannt wurden.

Verfassungsrechtler sprachen von einem "präventiven Vorgehen" und "Rechtsumgehung". Puigdemont hatte angekündigt, als gewählter Präsident aus dem belgischen Exil nach Katalonien zurückkehren zu wollen, wo er sich mit vier ehemaligen Ministern seit Ende Oktober aufhält.

Puigdemont: Kandidat der Wahlsieger

Die spanische Regierung verfolgte das Ziel, die Parlamentssitzung und die Amtseinführung über die Annahme der Beschwerde "vorläufig" zu verbieten. Denn Puigdemont ist der einzige Kandidat der Unabhängigkeitsparteien. Die Unionisten haben keinerlei Chance einen Kandidaten durchzusetzen, obwohl drei Parlamentarier der Unabhängigkeitsparteien im Knast und fünf im Exil sind.

Die haben Puigdemont erneut bestimmt, nachdem sie bei den von Spanien angesetzten Zwangswahlen am 21. Dezember erneut die Mehrheit erzielt haben. Eigentlich hatten die Unionisten über die Auflösung der Puigdemont-Regierung und des Parlaments Ende Oktober vor, begleitet von einer massiven Angstkampagne und der Inhaftierung ehemaliger Minister, Puigdemont und das Unabhängigkeitsstreben zu beerdigen.

Das ging schief. Deshalb versucht man aus Madrid nun, den demokratischen Wählerwillen über Winkelzüge zu verfälschen. Der Versuch, den Kandidaten Puigdemont auszuschließen, war aber so plump, dass auch das Verfassungsgericht nach der Entscheidung des Staatsrats nicht mitgehen konnte. Dabei hatte es sogar schon einmal eine Parlamentssitzung auf Wunsch der Regierung präventiv ausgesetzt.

Schwierige Bedingungen

Nach langen Debatten haben die Richter am späten Samstag (!) entschieden, durch die Mitte zu gehen. Sie lehnten es ab, Puigdemont als Kandidat zu verbieten, was ganz offensichtlich verfassungswidrig war und eine sofortige Klage vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg im Eilverfahren nach sich gezogen hätte.

Sie lehnten aber die Annahme der Klage der Regierung auch nicht definitiv ab. Sie stiegen letztlich schon in die Thematik ein und fällten praktisch ein Vorurteil, ohne ein Urteil zu fällen.

So definierten die Richter Bedingungen und griffen damit massiv in Rechte des Parlaments ein. Es wurde zum Beispiel definiert, dass Puigdemont vor dem Parlament erscheinen und an der Debatte um die Amtseinführung teilnehmen müsse.

Er könne die Verlesung der Erklärung nicht delegieren oder auf eine Telematik-Lösung setzten. Bestimmt wurde auch, dass die Exilierten ihre Stimmen nicht delegieren dürfen, wie es die inhaftierten Parlamentarier können.

Damit nicht genug kann Puigdemont auch nicht einfach im Parlament erscheinen, sollte es ihm gelingen, die massiven Kontrollen an der Grenze und am Parlament zu umgehen.

"Ohne ausdrückliche gerichtliche Genehmigung, darf keine Amtseinführung stattfinden", schreiben die Verfassungsrichter. Denn in Spanien besteht weiter ein "grotesker" Haftbefehl wegen "Rebellion" und "Aufruhr" gegen Puigdemont, wie Verfassungsrechtler kritisieren.

Der Haftbefehl wird aufrecht erhalten

Die Zustimmung müsste der Richter am Obersten Gerichtshof geben. Doch Pablo Llarena hatte dem früheren Vizepräsident Oriol Junqueras, der noch immer inhaftiert ist, sogar versagt, an der konstituierenden Sitzung des Parlaments teilzunehmen, obwohl das auch schon mutmaßlichen Mitgliedern der baskischen Untergrundorganisation ETA immer wieder erlaubt wurde.

Und Richter Llarena hält den Haftbefehl aufrecht, obwohl er den Europäischen Haftbefehl wegen Aussichtslosigkeit in Belgien schon zurückziehen musste und ihn gegenüber Dänemark diese Woche gar nicht erst beantragt hat. Es ist absehbar, dass dieser Richter Puigdemont wie Junqueras, Jordi Sànchez und Joaquin Forn inhaftieren würde.

Um seinen bisherigen Entscheidungen nicht zu widersprechen, kann er kaum Puigdemont zur Amtseinführung ins Parlament lassen und sich zudem massiv gegen die Regierung stellen. Über diese juristischen Winkelzüge soll nun doch erreicht werden, dass Puigdemont praktisch kein Kandidat sein kann. Das kann man auch Rechtsumgehung oder Rechtsmissbrauch nennen. Demokratie, unabhängige Justiz und Gewaltenteilung sehen anders aus.

Warnungen an den Parlamentspräsidenten

Aber es kommt sogar noch dicker. Der neu gewählte Parlamentspräsident Roger Torrent und sein Parlamentspräsidium werden vor "Ungehorsam" und strafrechtlichen Konsequenzen gewarnt. "Sie alle werden auf ihre Pflicht hingewiesen, jede Initiative, die zum Ziel hat, die vorsorglich getroffenen Maßnahmen zu umgehen oder zu ignorieren, zu verhindern oder zu stoppen."

Ausdrücklich führen die Verfassungsrichter im Beschluss die "Amtseinführung von Puigdemont unter Nichtbeachtung der vorsorglichen Maßnahmen" näher aus.

Nach Angaben von Puigdemonts Formation "Gemeinsam für Katalonien" (JxCat) wird der die Genehmigung bei Llarena beantragen. Der JxCat-Parlamentarier Josep Rull sagte, es "ist ein Schlag ins Gesicht" für die Regierung, die erklärt habe, "unter keinen Umständen" werde Puigdemont Kandidat. "Sie konnten das nicht verhindern, obwohl sie glauben, dass sie durchgekommen sind."

Man darf gespannt sein, wie JxCat die Probleme umschiffen will. "Es wird eine Sitzung geben", sagte Rull, wenn auch mit "unerhörten Bedingungen". Wie Puigdemont den Antrag stellt und ob er sich nun stellt, erklärte er nicht. Einen "Plan B zur Demokratie" gäbe es nicht: "Niemals wird das Mandat der Bevölkerung aufgegeben."