RISpace: Erkundung des erdnahen Raums

Vor der Entdeckung des Weltraums steht auch bei der Konferenz Reinventing Space zunächst die Entdeckung des Planeten Erde. Hier können etwa schnelle Datenübertragungswege getestet werden und es lässt sich auch an anderen – noch teuren – Techniken feilen.

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RISpace: Den Weltraum neu erfinden

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 5 Min.
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  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

In London trifft sich in dieser Woche die Konferenz Reinventing Space, um darüber zu beraten, wie technische Trends die zunehmende Kommerzialisierung des Weltraums befördern. Organisiert wird die Tagung von der 1933 gegründeten British Interplanetary Society, der ältesten noch existierenden Organisation zur Förderung der Raumfahrt. Andere, ähnlich motivierte Gruppen wie der deutsche "Verein für Raumschiffahrt" (VfR), die Moskauer "Gruppe zum Studium der Rückstoßbewegung" (GIRD) oder die "American Interplanetary Society" (AIS) formierten sich zwar etwas früher, haben sich aber mittlerweile aufgelöst.

"Auf zum Mars!" lautete die Parole, mit der sich die Moskauer Weltraumenthusiasten zu Beginn der 1930er-Jahre bei ihren Treffen begrüßten. Und der rote Nachbarplanet hat bis heute nicht an Anziehungskraft verloren. Missionen über den Erdorbit hinaus stehen allerdings erst am Donnerstag auf dem Programm der Londoner Tagung. Aber schon in den 1950er-Jahren hatte der US-amerikanische Science-Fiction-Autor Robert A. Heinlein erkannt: Der Zugang zum Weltraum selbst muss günstiger gestaltet werden.

"Ist erst einmal eine erdnahe Umlaufbahn erreicht, hat man den halben Weg zu jedem Ort im Sonnensystem hinter sich." Denn in der Raumfahrt sind weniger die Entfernungen die Herausforderung, sondern die Überwindung der Schwerkraft. Zudem ist klar: Damit privatwirtschaftliche Mittel für diese Mission mobilisiert werden können, muss sich die Anstrengung lohnen. Daher geht es bei "Reinventing Space" in den Räumen der traditionsreichen Royal Society zuallererst darum, wie sich der erdnahe Raum denn sinnvoll und profitabel nutzen lässt.

(Bild: ExactEarth)

Einen Vorgeschmack davon gaben am Montag an einem "pre-conference afternoon" schon mal drei Podiumsdiskussionen zur Überwachung der Meere, zur kommerziellen Nutzung von Synthetic Aperture Radar und zur weltraumgestützten Laserkommunikation. Diskutiert wurde allerdings eher wenig, es blieb überwiegend bei einer Abfolge von Kurzvorträgen, in denen sich zudem, insbesondere beim Thema Laser, vieles wiederholte. Es wurde aber auch deutlich, wie sehr die verschiedenen Techniken zusammenwirken.

So ist ein Ziel bei der Meeresüberwachung, die Frequenz, mit der ein Gebiet erfasst wird, deutlich zu erhöhen. Während in den 1990er-Jahren die Zahl der Erdbeobachtungssatelliten noch überschaubar war und ein Kapitän daher in aller Ruhe abwarten konnte, bis ihn keiner im Blick hatte, bevor er Öl oder andere Abfälle im Meer entsorgte, ist jetzt von Wiederholungsraten im Minutenbereich die Rede.

So stellte Simon Chesworth von der Firma ExactEarth das Produkt exactAIS vor, das mithilfe einer Konstellation von derzeit zehn Satelliten sowie Sensoren am Boden Schiffsbewegungen praktisch in Echtzeit verfolgen können soll. John Allen von Spire Global Inc. kündigte sogar ein aus 120 Nanosatelliten bestehendes System an. Damit, so Allen, ließe sich nicht nur die Position eines Schiffes ermitteln, sondern auch dessen Bewegungen. Daraus wiederum ließen sich Verhaltensmuster ableiten, die Rückschlüsse auf die Aktivitäten, etwa illegalen Fischfang, zuließen.

Damit solche Beobachtungen krimineller Handlungen nicht folgenlos bleiben, kommt die Laserkommunikation ins Spiel. Von „reaktiver Überwachung“ sprach Matthias Motzigemba, der bei Tesat Spacecom die Laser-Produkte verantwortet. Damit die erhobenen Daten möglichst schnell diejenigen erreichen, die sich dafür interessieren, arbeitet Europa an einem lasergestützten Datenhighway im All, dem European Data Relay System (EDRS).

Die heute schon realisierten Datenübertragungsraten liegen im Bereich von mehreren Gigabit pro Sekunde. Während sich die Laserimpulse im All ungehindert ausbreiten können, kann der Kontakt zum Boden durch Wolken gestört sein. Das soll durch ein Netzwerk von Bodenstationen umgangen werden, die durch Glasfaserleitungen miteinander verbunden sind. Auch wenn 75 Prozent der Erdoberfläche stets unter Wolken verborgen sind, kann so gewährleistet werden, dass irgendeine Empfangsstation immer erreichbar ist.

Eine andere Methode, die Wolken zu durchdringen, ist der Einsatz von Radarsensoren. Ähnlich wie beim Laser geht es auch hier darum, Masse und Energieverbrauch zu minimieren und zugleich die Leistung zu maximieren.

Bild des Sentinel-1 Satelliten von der Insel "La Reunion", übertragen via Laser (European Data Relay System)

(Bild: ESA)

Auch die Kosten seien noch zu hoch, sagte Hirobumi Saito von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA. Er berichtete von einem 100-kg-Satelliten, der Radarbilder mit einer räumlichen Auflösung von einem Meter übermittle. Die Interpretation dieser Bilder sei jedoch nicht einfach und erfordere neue Softwaretechnologien wie Deep Learning. Außerdem könne die Kombination mit höher aufgelösten optischen Daten neue Erkenntnisse bringen.

Auf Nachfrage räumten die Referenten allerdings ein, dass auf absehbare Zeit außer Regierungen kaum zahlungskräftige Kunden für solche Radardaten zu erwarten seien. Eines Tages könnten sich vielleicht auch Hedgefonds, Investoren oder Versicherungen für die Daten interessieren. Aber vorerst befinde sich die Radarbeobachtung der Erde noch in der ersten Welle der Entwicklung.

Vielleicht ist da ja auch ganz gut so. Denn obwohl bei den Vorträgen in der Royal Society natürlich nur von bösen Aktivitäten die Rede war, die mithilfe dieser Technik unterbunden werden sollen, wie auch vom nachhaltigen Umgang mit den Meeresressourcen, konnte das nicht verhindern, dass sich angesichts einer wachsenden Anzahl von Augen im Himmel, die mit immer größerer räumlicher und zeitlicher Auflösung, ungehindert durch Wolken die Aktivitäten am Boden beobachten, ein ebenfalls wachsendes Unbehagen einstellte. Ob sich diese unangenehmen Gefühle in den nächsten Tagen eher zerstreuen oder verstärken, wird sich zeigen. (kbe)