Rakuten-Chef Mikitani: Demokratisierte Netze mit Open-RAN

Im Interview mit dem Handelsblatt spricht Rakuten-Chef Hiroshi Mikitani über die Rolle von Open-RAN für Mobilfunknetzwerke und deren Demokratisierung.

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Rakuten-Chef Hiroshi Mikitani

Rakuten-Chef Hiroshi Mikitani.

(Bild: dpa, Everett Kennedy Brown)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
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Das Oligopol im Mobilfunk hinter sich lassen, will der Chef des japanischen Tech-Konzerns Rakuten, Hiroshi Mikitani. Sein Unternehmen setzt dabei auf den neuen Technologiestandard Open-RAN. Open-RAN ermöglicht Mobilfunkanbietern, Antennen, Software und Server verschiedener Hersteller zu kombinieren. Die Trennung von Software und Hardware soll helfen, "demokratisierte Netze" zu schaffen, so Mikitani gegenüber dem Handelsblatt.

In dem Zeitungsinterview spricht der Rakuten-Chef darüber, wie er mit seinen 5G-Netzen den Mobilfunkmarkt aufrollen will, Open-RAN-Projekte weltweit und über die Zusammenarbeit mit 1&1.

Der deutsche Mobilfunkanbieter 1&1 setzt beim neuen 5G-Netz auf Rakuten und nutzt dabei eine neuere Version der Rakuten-Netzwerkarchitektur. Die ist laut Mikitani flexibler und besser skalierbar. Am vergangenen Freitag schaltete 1&1 nach vielen Startschwierigkeiten mit deutlicher Verzögerung das eigene, vorerst noch überschaubare Open-RAN-Netz für Mobilfunkkunden frei – mit geringer eigener Abdeckung, aber großen Zielen. Damit hat Deutschland wieder einen vierten Mobilfunknetzbetreiber.

"Kern der Probleme von 1&1 war die verspätete Bereitstellung der Mobilfunkstandorte durch ein anderes Unternehmen. Das war also nicht unsere Schuld", erklärt Mikitani die Startprobleme. Die Beziehung zu 1&1-Chef Ralph Dommermuth sei "großartig". "Er ist ein echter Unternehmer, ein Maverick (Einzelgänger). Ich vertraue ihm zu einhundert Prozent."

Mikitani setzte mit Rakuten 2020 in Japan mit seinem neuen Handynetz als einer der Ersten auf den neuen Technologiestandard Open-RAN. Open-RAN steht für Open Radio Access Network. Standards sollen dafür sorgen, dass Hard- und Software unterschiedlicher Lieferanten zueinander passen und damit im Mischbetrieb eingesetzt werden können. Damit, so der Gedanke, müssten Netzbetreiber nicht mehr bei einem der wenigen großen Anbieter alles aus einer Hand kaufen, sondern können Komponenten bei verschiedenen Herstellern bestellen. Parallel würde das kleineren Unternehmen ermöglichen, in den Markt einzusteigen, indem sie sich auf bestimmte Komponenten spezialisieren. Zwischen Theorie und Wirklichkeit liegen allerdings noch Welten. Gerade von großen Anbietern wie Nokia oder Huawei wurde Open-RAN lange Zeit skeptisch gesehen.

Trotz heute sechs Millionen Kunden in Japan und einem, nach Angaben von Mikitani, Zuwachs von 200.000 Kunden im Monat, schreibt die Mobilfunksparte von Rakuten bislang Verluste. An dem Geschäft mit Mobilfunknetzwerken will Mikitani aber festhalten. "Smarte Mobilgeräte werden unsere Schule, unser Arzt, unser Kino oder unser intelligenter Assistent werden – noch mehr als heute schon", sagt er. "Diese Relevanz vor Augen, halte ich es für äußerst wichtig, dass wir die derzeitige, von einem Oligopol geprägte Struktur der Mobilfunkindustrie hinter uns lassen."

Entscheidend dafür sei "die Trennung von Software und Hardware" – also Open-RAN. "So wollen wir demokratisierte Netze schaffen", erklärt Mikitani. "Heute wird die Technik dahinter von wenigen etablierten Unternehmen kontrolliert. Diesen Zustand zu überwinden ist unsere wichtigste Herausforderung. Ich bin mir sicher: Unser Geschäft wird schon in wenigen Jahren sehr, sehr profitabel sein. Wir bauen Netze zu einem Bruchteil der üblichen Kosten."

Es gebe rund 20 Open-RAN-Projekte auf der ganzen Welt, an denen man derzeit arbeite, so Mikitani. Einzelheiten will er nicht nennen. Großes Interesse gebe es vor allem aus den Schwellenländern. "Es geht auch um Anbieter, die derzeit von chinesischer Mobilfunktechnologie abhängig sind. Sie wollen eine Alternative haben, da sie Sicherheitsbedenken hegen."

Für Aufsehen in der Telecom-Welt sorgte in der vergangenen Woche die Ankündigung des schwedischen Netzausrüsters Ericsson, für den Telekommunikationsriesen AT&T in den USA ein Open-RAN-Netz aufzubauen. Mit einem Volumen von rund 14 Milliarden US-Dollar ist es der bislang größte Open-RAN-Deal der Branche.

Beunruhigt zeigt sich Mikitani deswegen nicht. "Ericssons Wechsel zu Open Ran wird Jahre dauern", sagt er dem Handelsblatt. "Sie sind derzeit noch nicht so weit." Für ihn ist der Deal eher die Bestätigung, das auch andere Unternehmen ebenfalls auf Open-RAN setzen. "Für die etablierten Anbieter wird es jedoch schwierig sein, gleichzeitig offensiv und defensiv zu spielen, da sie an ihrem Altgeschäft hängen. Der Markt ist zudem sehr groß. AT&T ist nur ein kleiner Teil davon."

(akn)