Raumanzug-Filtersystem macht Körperflüssigkeit trinkbar
Wassermangel kann auf Langzeitaußeneinsätzen im All zur Dehydration der Astronauten führen. Ein tragbares Filtersystem wandelt Urin in Trinkwasser um.
Ein Forschungsteam der Cornell University hat sich des Problems angenommen, dass Astronauten auf längeren Außen-Missionen in ihren Raumanzügen nicht genügend Wasser mitnehmen können. Dazu haben die Forscher einen Raumanzug mit einem Filtersystem entwickelt, das Urin trinkbar machen kann. Das schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn dadurch wird auch ein Hygieneproblem gelöst.
Angeregt zu dem Projekt wurde die Erstautorin der Studie, Sofia Etlin, durch die Lektüre der "Dune"-Romane von Frank Herbert. Der Autor beschreibt darin einen "Stillsuit", der ständig Schweiß und Urin sammeln und in Trinkwasser umwandeln kann, damit die Menschen auf dem wasserarmen Planeten "Dune" überleben können. In der Studie "Enhanced astronaut hygiene and mission efficiency: a novel approach to in-suit waste management and water recovery in spacewalks", die in Frontiers in Space Technologies erschienen ist, beschreiben die Wissenschaftler ihren Ansatz zur Aufbereitung von Urin zu Trinkwasser.
Wassermangel und Hygieneproblem
Derzeit nutzt die NASA in ihren Raumanzügen Kleidungsstücke, die maximal saugfähig sind, sogenannte Maximum absorbency garments (MAG), um den Urin aufzusaugen. Ihre Saugfähigkeit entwickeln die windelartigen MAGs aus mehreren Lagen. Die MAGs können allerdings auslaufen und im schlimmsten Fall Harnwegsinfektionen und Magen-Darm-Reizungen auslösen. Besonders bei Langzeitaußenmissionen im Weltraum, wie sie etwa für die Artemis-Mond-Missionen geplant sind, könnte das ein Problem darstellen. Zu dem Hygieneproblem kommt noch, dass die Astronauten nur einen begrenzten Vorrat an Wasser mitführen und somit an Wassermangel leiden könnten. Bisher reichen die verwendeten 1-Liter-Trinkbeutel lediglich für Weltraumspaziergänge von weniger als zehn Stunden. Bei den neueren Axiom-Raumanzügen für Artemis-Missionen sollen es zwei Liter sein, was immer noch zu wenig ist.
Die Wissenschaftler der Cornell-University entschieden sich für einen pragmatischen Ansatz und konzentrierten sich auf die Aufbereitung von Urin, um dadurch trinkbares Wasser zu gewinnen. Dazu nimmt ein geschlechtsspezifischer Auffangbecher, der die Genitalien umschließt, den Urin auf. Er enthält ein weiches, saugfähiges Material, das aus Polyester-Mikrofaser und einem Nylon-Elasthan-Gemisch besteht. Das soll die Feuchtigkeitsaufnahme fördern und den Urin besser weg vom Körper an die Innenseite des Behälters leiten. Ein Feuchtigkeitssensor erkennt, sobald Urin ausgeschieden wird und schaltet automatisch eine Vakuumpumpe an, die die Flüssigkeit absaugt und in ein zweistufiges Filtersystem weiterleitet.
Umwandlung in Trinkwasser
Die Umwandlung des Urins zu Trinkwasser war dagegen eine größere Herausforderung, sagt Etlin. Die Forscher untersuchten dazu mehrere unterschiedliche Methoden, wie eine Umkehrosmose, eine Filterung durch Bakterien, die Nutzung von Elektrolyse sowie die Verwendung von Weltraumstrahlung. Nach Auswertung entschieden sich die Wissenschaftler für eine Kombination aus Vorwärts- und Umkehrosmose. Dieses Verfahren versprach eine hohe Reinheit des Wassers bei einem geringen Energieaufwand.
Das kombinierte Verfahren sieht zunächst eine Vorwärtsosmose vor. Der Urin durchläuft dabei eine spezielle Filtermembran, die sauberes Wasser aus einer salzartigen Lösung gewinnt. Bei der Umkehrosmose übernimmt ein weiterer Filter das Entfernen aller restlichen Verunreinigungen. Als Ergebnis bleibe nur noch Trinkwasser übrig, heißt es von den Forschern. Das Wasser bestehe zu etwa 99 Prozent aus reinem Wasser und enthalte lediglich noch wenige Spuren von Salzen.
Das von den Wissenschaftlern entwickelte Verfahren arbeitet dabei schnell und effizient: 500 ml Urin können damit in lediglich fünf Minuten zu Wasser umgewandelt werden. Die so erzeugte Wassermenge könne die Astronauten bei längeren Außeneinsätzen hydriert halten, versprechen die Forscher.
Noch ist das etwa acht Kilogramm schwere System, das in einen Rucksack passt, für künftige Raumanzüge nicht weltraumtauglich. Das System muss unter anderem noch unter Schwerelosigkeit getestet werden, um dort die Funktion zu garantieren.
(olb)