Rechtsstreit um digitales TV

Private Fernsehsender wollen bis zum Bundesgerichtshof gehen, um dem Kabelnetzbetreiber Primacom die ausschließlich digitale Verbreitung ihrer Programme untersagen zu lassen.

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  • dpa

Kabelfernsehen so vielfältig und preiswert wie nie wollte die Primacom AG (Mainz) mit dem Start des digitalen Fernsehens in Leipzig anbieten. Bis zu 80 Programme sollten in der Messestadt ins firmeneigene Kabelnetz gespeist werden. Doch mittlerweile erntet das seit 1999 börsennotierte Unternehmen für seine Geschäftspolitik allerorten Kritik. Nicht nur dass viele Kunden die Gebühren für zu hoch halten und über technische Mängel klagen: Seit mehr als einem Jahr beschäftigen sich auch die Gerichte der Messestadt mit dem Angebot des drittgrößten Kabelnetzbetreibers der Republik. Die juristischen Auseinandersetzungen gelten als Musterverfahren. Ihnen wird große Bedeutung für die Einführung des Digitalfernsehens in Deutschland zugemessen.

Primacom versorgt rund 1,9 Millionen Haushalte in Deutschland und den Niederlanden mit Kabelfernsehen. Ende März übernahm der holländische Anbieter United Pan-Europe Communications ein Viertel der Primacom-Anteile. Allein in den drei Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind 655.000 Primacom-Nutzer registriert, was einem Marktanteil von 35 Prozent entspricht. An dem digitalen Testprojekt in Leipzig nehmen rund 70.000 Kunden teil.

Auf juristischem Weg kämpfen mehrere private Fernsehsender gegen Primacom: Sie sehen ihre Urheberrechte verletzt. Bei dem Streit wollen Sender wie ProSieben, DSF, Kabel 1, N24 und TM 3 erreichen, dass ihre Programme nicht ohne ihre Zustimmung in die digitalen Primacom-Pakete eingespeist werden. "Primacom hat nicht das Recht, ohne einen Vertrag mit uns unsere Programme ausschließlich digital zu vertreiben", sagt der Sprecher der ProSieben SAT.1 Media AG, Torsten Rossmann. Die Sender fürchten, dass ihnen Primacom-Kunden als Zuschauer verloren gehen, weil sie sich die teureren Digitalpakete nicht leisten wollen – und im analogen Angebot von Primacom die Sender vergeblich suchen. Und sie wollen nicht, dass die Geschäftspolitik von Primacom nach dem Verkauf weiterer Telekomkabelnetze Schule macht.

Nach einem in der vergangenen Woche ergangenen Urteil des Landgerichts Leipzig könnte der Streit schon bald den Bundesgerichtshof beschäftigen. Die Handelskammer des Gerichts wies im Hauptsacheverfahren die Klagen von ProSieben und Kabel 1 zurück, weil sie sich nicht für zuständig erklärte. Vor einer Klage sei die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts anzurufen, urteilten die Richter. Gegen die Entscheidung legten die beiden Sender umgehend Berufung beim Oberlandesgericht Dresden ein.

"Wir werden bis zum Bundesgerichtshof gehen", sagt Jürgen Doetz, Vorstand für Medienpolitik und Regulierung bei der ProSieben SAT.1 Media AG. Zuvor hatte das Landgericht allerdings in einstweiligen Verfügungen zu Gunsten der Sender entschieden und die ausschließlich digitale Verbreitung verboten. "Das Urteil ist für uns unverständlich", sagt Rossmann. Weil Primacom keinen Vertrag mit den Sendern abgeschlossen habe, sei die Schiedsstelle dafür auch nicht zuständig. Mit Sendern der Bertelsmann-Gruppe (Super RTL, RTL II und Vox) hatte sich Primacom allerdings geeinigt und nach einstweiligen Verfügungen Vereinbarungen abgeschlossen, die bis 2003 gelten.

Auch die Landesmedienanstalt des Freistaats kritisierte immer wieder die Primacom-Politik. Im vergangenen Jahr ging es vor allem darum, welche Sender Primacom in das kostenlos zu beziehende Grundpaket nehmen soll. Sachsen hat als einziges Bundesland keine Kabelbelegungsverordnung, die den Sendern die einzelnen Kabelfrequenzen zuweist. Jetzt beschäftigt den Medienrat der Landesmedienanstalt schon seit mehreren Monaten ein Angebot von Primacom, das im Verdacht steht, pornografisch zu sein.

Das vom britischen Unternehmen Playboy TV UK Ltd. veranstaltete Programm The Adult Channel sei nach deutschem Recht unzulässig, auch wenn das Programm durch Eingabe eines speziellen Codes individuell entsperrt werden muss, entschied der Medienrat. Allerdings muss der Medienrat erst das Urteil der EU-Kommission abwarten, bevor er wahrscheinlich Anfang September ein europarechtliches Verfahren einleitet: Das kritisierte Programm hat die Lizenz eines EU-Mitgliedsstaats. (dpa) / (mw)