Reporter ohne Grenzen sieht Verschlechterung der Pressefreiheit in Europa
"Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzen sie ihre weltweit fĂŒhrende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel", warnte ROG-GeneralsekretĂ€r Jean-François Julliard zur Vorlage der Rangliste der Pressefreiheit 2010.
Die Lage der Medienfreiheit hat sich nach Ansicht der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) in Europa weiter verschlechtert. Der bereits in der Rangliste [1] 2009 festgestellte AbwĂ€rtstrend einiger sĂŒd- und sĂŒdosteuropĂ€ischer Staaten habe sich in der nun vorgelegten Rangliste der Pressefreiheit 2010 fortgesetzt, heiĂt es in einer Mitteilung [2]. In der Rangliste vergleicht ROG die Situation der Pressefreiheit in 178 Staaten und Regionen [3]. Einbezogen wurden VerstöĂe im Zeitraum von September 2009 bis August 2010.

(Bild: Reporter ohne Grenzen)
ROG-GeneralsekretĂ€r Jean-François Julliard warnte: "Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzen sie ihre weltweit fĂŒhrende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europĂ€ischen Staaten mĂŒssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen."
Deutschland hat sich gegenĂŒber 2009 von Platz 18 auf 17 vorbewegt. Wie in anderen EU-Staaten hat ROG hier Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen negativ bewertet. Der Zugang zu Behördeninformationen bleibe ebenfalls unzureichend. Ein weiterer Kritikpunkt war das Strafverfahren gegen zwei Leipziger Journalisten in der so genannten Sachsensumpf-AffĂ€re.
Rund die HĂ€lfte der 27 EU-Mitgliedsstaaten befinden sich unter den 20 fĂŒhrenden LĂ€ndern der aktuellen Rangliste. Innerhalb der EU gehe die Schere aber stark auseinander. Zwölf EU-LĂ€nder lĂ€gen zwischen dem 30. und 70. Rang. Am stĂ€rksten gefallen sei Griechenland, und zwar von Platz 35 im Vorjahr auf nunmehr Platz 70. Ausschlaggebend waren körperliche Angriffe bei Demonstrationen und Drohungen gegen Journalisten. In Frankreich und Italien gebe es Probleme wie die Verletzung des Quellenschutzes, die zunehmende Konzentration von Medieneigentum sowie gerichtliche Vorladungen von Journalisten.
Durch Klagen gegen Journalisten sowie Festnahmen und Verurteilungen von Medienmitarbeitern zu GefĂ€ngnisstrafen geriet die TĂŒrkei aus der Sicht von ROG in unmittelbare Nachbarschaft zu Russland. Dort wiederum gehörten ROG Zensur, Gewalt und Repressionen nach wie vor zum Alltag vieler kritischer Journalisten.
Die repressivsten Staaten sind laut der Rangliste Eritrea, Nordkorea, Turkmenistan und Burma. Dort wĂŒrden unabhĂ€ngige Medienschaffende verfolgt, Nachrichten und Informationen aus den LĂ€ndern fehlten seit mehreren Jahren. Besonders in Ruanda und im Sudan habe sich die Situation verschĂ€rft. In Ruanda fielen zusĂ€tzliche ZensurmaĂnahmen und SchlieĂungen von Medien vor der PrĂ€sidentschaftswahl im August 2010 sowie die Ermordung eines Journalisten ins Gewicht. Im Sudan hat die Regierung ihre Ăberwachung der Printmedien deutlich verstĂ€rkt, mehrere Journalisten wurden verhaftet und eine oppositionelle Tageszeitung wurde geschlossen.
ROG legt nach eigenen Angaben [4] (PDF-Datei) 43 Kriterien fĂŒr die Bewertung der Lage der Pressefreiheit zugrunde. Dazu zĂ€hlen direkte Angriffe gegen Journalisten sowie ZensurmaĂnahmen. Die Kriterien erhebt die Organisation in einem Fragebogen [5] (PDF-Datei), die sie an Partnerorganisationen und Korrespondenten in den LĂ€ndern schickt. (anw [6])
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[1] https://www.heise.de/news/Pressefreiheit-Reporter-ohne-Grenzen-kritisiert-europaeische-Laender-833855.html
[2] http://en.rsf.org/press-freedom-index-2010,1034.html
[3] http://en.rsf.org/IMG/pdf/carte-2011.pdf
[4] http://en.rsf.org/IMG/pdf/methodology.pdf
[5] http://en.rsf.org/IMG/pdf/cm_questionnaire_2010_gb.pdf
[6] mailto:anw@heise.de
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