Robert Mapplethorpe: Schaut auf diese (abscheulichen) Bilder!

Künstler, Geschäftsmann, Engel? Robert Mapplethorpe war einer der umstrittensten Fotografen des vergangenen Jahrhunderts. Eine Dokumentation mit seltenen Aufnahmen des Künstler zeigt seine Lust an der Provokation.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Th. Fischer

Die Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts waren geprägt von vielen Umbrüchen, hässlicher Mode, schrägen Frisuren und der Angst vor neuen Superkrankheiten. Mit Aids infizierte Menschen wurden zunächst ausgegrenzt und stigmatisiert. Viele wollten erst nach längerer Zeit akzeptieren, dass das HI-Virus nicht nur ein Problem des Homosexuellen-Milieus war, und glaubten lange nicht, dass es im alltäglichen Kontakt keine unmittelbare Gefahr darstellte.

In diesem Umfeld war der Fotograf Robert Mapplethorpe tätig, der offen zu seiner Homosexualität und Promiskuität stand. Er starb 1989 im Alter von nur 42 Jahren in Folge einer Infektion mit HIV. Bekannt sind etwa seine Aufnahmen aus dem schwulen Sadomaso-Milieu, von nackten schwarzen Männern, aber auch von den Sexualorganen von Pflanzen. "Kontrovers" und "problematisch" sind zwei Begriffe, mit denen sich seine Arbeit wohl vor allem beschreiben lässt. Bereits damals wirkten viele seiner Fotografien auf die Betrachter ungewohnt und teils schockierend. Er war deswegen schon während seiner Lebenszeit äußerst umstritten.

Auf der Berlinale wurde in diesem Jahr eine neue Dokumentation über Robert Mapplethorpe gezeigt: Mapplethorpe: Look at the Pictures läuft derzeit auch in einigen deutschen Programmkinos. In dem in Deutschland und den USA produzierten Film von Fenton Bailey und Randy Barbato (unter anderem auch die Produzenten von "Inside Deep Throat" über den Pornofilm "Deep Throat") spricht Mapplethorpe in teils neu entdeckten Interviews offen über sich selbst. Ergänzt werden diese Aufnahmen mit Aussagen von Freunden, ehemaligen Lovern, Models, Familienmitgliedern und Berühmtheiten, mit denen Mapplethorpe zu tun hatte.

Der Ausruf "Look at the Pictures" im Titel des Films wurde damals nicht mit Bewunderung, sondern mit Abscheu geäußert. Er stammte von Jesse Helms, einem vor wenigen Jahren verstorbenen amerikanischen Senator, der sich gegen die in seinen Augen abstoßenden Arbeiten Mapplethorpes ereiferte. Helms warf Mapplethorpe vor, Homosexualität zu fördern und wollte deswegen verhindern, dass der öffentliche Verein National Endowment for the Arts den Künstler weiter finanziell unterstützte. Auch die Luzerner Zeitung stellt sich aktuell die Fragen "War er ein großer Künstler oder ein ehrgeiziger Geschäftemacher? Ein Engel oder ein Teufel?".

Ja, wer war Robert Mapplethorpe? Wenn man dem Film und den Berichten über ihn vertrauen mag, dann war er ein Egomane, der während und für seine Arbeit viele Schranken überschritten hat. Wie der Guardian berichtet, gabelte Mapplethorpe immer wieder neue Liebhaber auf, nahm gemeinsam Drogen, hatte Geschlechtsverkehr mit ihnen und fotografierte sie danach. Er sei ein Soziopath gewesen, dem es vor allem um Sex, Geld und Ruhm gegangen sei und der jeden dafür nutzte, diese Ziele zu erreichen, schreibt das britische Blatt. Das hatte Folgen. Sein eigener Vater wollte angeblich nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Dabei stellt sich die Frage, wie weit die Inszenierung ging und ob er nicht selbst das Kunstwerk war? Nicht nur die Art, wie er lebte und mit anderen Menschen umging, auch wie er sich kleidete und wie er auftrat, waren Teil der öffentlichen Person Robert Mapplethorpe. Nicht die Fotos, die man macht, sondern das Leben, das man führt, seien wichtig, sagt er in einer der Aufnahmen in "Mapplethorpe: Look at the Pictures". Der Sinn einer Existenz als Künstler war in seinen Augen, mehr über sich selbst zu erfahren.

Für ihn machte es keinen Unterschied, ob er einen Penis oder eine Blume fotografierte, beschreibt Fenton Bailey die Sicht von Robert Mapplethorpe. Immer wieder fotografierte er auch sich selbst. So zeigt er sich in einer seiner bekanntesten Aufnahmen mit einem Totenkopf. Das Foto entstand, als er bereits von seiner fortschreitenden Krankheit wusste und sie ihn auch schon deutlich gezeichnet hatte. Nachdem er erfahren hatte, dass er Aids hatte, blieben ihm nur noch drei Jahre zu leben. In den Achtzigern war die Diagnose mit dem HI-Virus meist noch ein Todesurteil.

Die Dokumentation zeigt das Leben von Robert Mapplethorpe in vielen Aufnahmen von und über ihn und in mehr als 50 kurzen Interviews. 1963 studierte er Malerei und Bildhauerei am Pratt Institut in Brooklyn. In diesen Jahren lernte er auch die Musikerin Patti Smith kennen, die seine erste Partnerin in einer langen Reihe bekannter Persönlichkeiten wurde. In den 60er und 70er Jahren machte er vor allem Polaroid-Fotos, erst später bekam er von einem seiner Liebhaber eine Hasselblad geschenkt. Bereits früh entwickelte sich sein fester Wille, als Künstler bekannt und beachtet zu werden.

Fenton Bailey und Randy Barbato profitierten von einem nach ihren Aussagen unbeschränkten Zugang zu den Archiven der Robert Mapplethorpe Foundation. So können sie in ihrem Film auch viele Aufnahmen zeigen, die sonst nur selten, teilweise zensiert oder sogar noch gar nicht öffentlich zu sehen waren. Viele der Bilder sind mit wieder entdeckten Radiointerviews hinterlegt, in denen Mapplethorpe über sich und sein Leben spricht.

Seine letzten verbliebenen Jahre arbeitete Mapplethorpe fieberhaft und immer intensiver. Noch kurz vor seinem Tod organisierte er mit "The perfect Moment" eine letzte Ausstellung, die viele seiner unterschiedlichsten Werke erstmals zusammen in einem Museum zeigte. Gerade diese Ausstellung erregte den besonderen Zorn von Jesse Helms. Die Gerichtsprozesse, die sich in der Folge darum entwickelten, erlebte Robert Mapplethorpe aber größtenteils schon nicht mehr. (anm)