RoboCup: Das Knistern fehlt

Der RoboCup 2021 findet digital statt. Außerdem werden die Spiele virtualisiert. Das stellt die Teams vor eine besonders große Herausforderung.

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(Bild: Screenshot, Twitch)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Roboterwettbewerbe wie der RoboCup bieten den Zuschauenden einzigartige Einblicke in den Stand der Technik, die sich auf andere Weise kaum erlangen lassen: An Situationen, in denen viele Teams scheitern, zeigt sich, wo die größten Schwierigkeiten liegen, während die besten Teams zugleich demonstrieren, was derzeit möglich ist. Aber eben diese Spitzenleistungen lassen sich erst im Vergleich mit den anderen wirklich würdigen.

Das gilt auch für die gegenwärtig laufende RoboCup-Weltmeisterschaft, die in diesem Jahr wegen der Covid-19-Pandemie komplett virtuell stattfindet. Wer etwa nur sehen würde, wie das Team B-Human, mehrfacher Weltmeister in der Standard Platform League, die Passing Challenge bewältigt, bei der zwei Spieler sich den Ball möglichst präzise vor die Füße kicken sollen, könnte meinen, dass es sich hierbei um eine simple Aufgabe handelt. Erst der Vergleich mit anderen Teams zeigt, was alles schiefgehen kann und erlaubt eine bessere Einschätzung.

Allerdings ist der diesjährige RoboCup definitiv keine Zuschauerveranstaltung. Zwar werden viele der Wettkämpfe live im Internet gestreamt, aber da die 15 verschiedenen Ligen das selbst organisieren und für die Übertragungen jeweils eigene Kanäle nutzen, ist es nahezu unmöglich, sich einen Überblick über das gesamte Geschehen zu verschaffen. Hinzu kommt, dass die zumeist eher wenig dramatischen Aktionen der Roboter auf dem Laptopmonitor in Konkurrenz stehen zu den nach monatelangem Corona-Stillstand gerade wieder öffnenden Kinos und Konzerthallen, zum Einkaufsbummel auf dem Wochenmarkt und dem entspannten Cappuccino im Café an der Ecke.

Es fehlt einfach das Grundknistern, die elektrisch aufgeladene Atmosphäre einer großen Veranstaltungshalle, in der alle Teams vereint sind und du nur den Kopf drehen und vielleicht ein paar Schritte gehen musst, wenn auf einem Spielfeld mal nichts los ist. Auf dem benachbarten Feld mag gerade die Post abgehen, du begegnest Teilnehmern, die dich auf besonders interessante Neuigkeiten hinweisen, oder schlenderst durch die Halle wie durch ein Technikmuseum und staunst über die Vielfalt der Robotergestalten. Diese einzigartige Energie lässt sich übers Internet nicht vermitteln.

Für die Teilnehmer sieht das anders aus. Maike Paetzel-Prüsmann (Universität Potsdam), die den Wettbewerb in der Humanoid League mitorganisiert, wertet den virtuellen RoboCup daher schon jetzt als "vollen Erfolg". Die Teams erlebten ihn wie ein richtiges Turnier: "Zwar ist man nicht physisch an einem Ort, aber man ist online zusammen, man ändert die Software bis in die Nacht und fiebert dann während der Spiele mit den Robotern mit." Die Spiele werden auf zwei Kanälen gestreamt (Feld A und Feld B) und dort von mehreren Sprechern kommentiert. Die Streams sind danach als Aufzeichnungen weiterhin zugänglich, sodass man Phasen des Leerlaufs überspringen kann.

Viele der bisherigen Spiele wirken sehr verhalten und störungsanfällig, was aber ein generelles Problem beim RoboCup ist: Weil die Entwicklung der Technik vorangetrieben werden soll, werden die Spielbedingungen regelmäßig erschwert, was zumeist den Spielfluss stört und die Spiele unansehnlicher werden lässt. In diesem Jahr stellt die Virtualisierung der Spiele eine besonders große Herausforderung dar, die zudem ungeplant kam.

Während die simulierte Spielumgebung von den Organisatoren gestellt wurde, waren die Teams angehalten, selbst Modelle ihrer Roboter zu entwickeln. Das war angesichts der kurzen Vorbereitungszeit eine besondere Herausforderung mit unerwarteten Schwierigkeiten. So hat etwa der Roboter Sweaty Probleme mit der Selbstlokalisierung auf dem Feld, wenn er nach einem Foul vorübergehend vom Platz muss und kurzerhand an den Spielfeldrand "gebeamt" wird. Um mit dieser nur in der Simulation möglichen Art der Fortbewegung zurechtzukommen, fehlten noch die geeigneten Algorithmen, sagte ein Teammitglied im Kommentar.

Jacky Baltes (National Taiwan Normal University), Ko-Organisator der Liga, erwartet, dass dieser erzwungene Exkurs in die Simulation die Humanoid League langfristig voranbringen dürfte. In die gleiche Richtung wies auch die Keynote von Dieter Fox (Nvidia Research), der darüber sprach, wie physikalische und fotorealistische Simulationen das Lernen komplexer Manipulationsaufgaben, etwa in Küchen, unterstützen können. Seine Anwendungsbeispiele passten allerdings eher zum Wettbewerb der Haushaltsroboter, der in der RoboCup@home League in diesem Jahr auch nur in der Simulation stattfindet.

Bei den humanoiden Fußballrobotern dagegen scheint kurzfristig das iranische Team MRL-HSL am besten mit der Virtualisierung zurechtzukommen. Die simulierten Roboter beeindruckten bei den bisherigen Spielen durch ein stabiles, schnelles Laufverhalten und kraftvolle Schüsse. Wenn es gelingt, diese Leistung auf die realen Roboter zu übertragen, müssen sich die anderen Teams beim nächsten Turnier, das dann hoffentlich wieder in einer vor Aufregung knisternden Halle stattfindet, warm anziehen.

(str)