RoboCup-WM: Ratlose Gesichter bei den Industrie-Ligen

Beim RoboCup ziehen die Fußballspiele traditionell das meiste Publikum an. In Bordeaux zeigt sich, warum das Publikum mit anderen Ligen weniger anfangen kann.

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Kleine Industrieroboter auf Rädern

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 3 Min.
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  • Hans-Arthur Marsiske

Am Donnerstag haben bei der RoboCup-Weltmeisterschaft in Bordeaux die Wettkämpfe begonnen. Die Fußballspiele ziehen dabei die meiste Aufmerksamkeit auf sich, weil das Geschehen auf dem Spielfeld für die Zuschauer ohne Weiteres nachvollziehbar ist. Andere Ligen haben mehr Erklärungsbedarf.

Besonders schwer verständlich ist die Logistics League. Zwar müssen sich auch hier mehrere Roboter autonom koordinieren, um eine Aufgabe zu lösen. Aber die Aufgabe besteht eben nicht darin, das Runde ins Eckige zu befördern, sondern verschiedene runde Teile zu einem Produkt zusammenzufügen: Auf eine Dose müssen bis zu drei Ringe und ein Deckel montiert werden. Da alle Teile in unterschiedlichen Farben vorhanden sind, beträgt die Zahl der verschiedenen möglichen Endprodukte über 500. Welche Konfiguration zu welchem Zeitpunkt gewünscht ist, teilt eine Zentrale (Referee Box) den Robotern mit, die daraufhin ihre Aktionen selbstständig planen und ausführen müssen, um die Bestellungen fristgerecht ausliefern zu können.

Ein Team besteht aus bis zu drei Robotern, die sieben in der Arena verteilte Produktionsmaschinen ansteuern müssen, um dort die einzelnen Komponenten und Zwischenprodukte abzuholen, für die Weiterverarbeitung zur nächsten Maschine zu bringen und schließlich das Endprodukt abzuliefern. Dabei müssen sie mit Ungenauigkeiten, etwa bei der Navigation oder beim Greifen, ebenso umgehen wie mit Maschinenausfällen oder anderen Fehlern, die teilweise gezielt in das Geschehen eingebaut werden. Die Aufgabe ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheinen mag, und die Bewertung der Leistung ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. So kommt es immer wieder vor, dass Teammitglieder auf einmal jubeln, während die Zuschauer ratlos mit den Achseln zucken.

Um neuen Teams den Einstieg in die Liga zu erleichtern, ist das Bewertungssystem der Logistics League angepasst worden, sodass die Roboter auch mit Teilerfolgen punkten können. Das gilt auch für die zweite industriell ausgerichtete Liga RoboCup@work. Hier steht die mobile Manipulation im Mittelpunkt. Die Roboter müssen verschiedene Objekte wie Schrauben, Muttern oder Werkzeuge erkennen, greifen und an vorgegebenen Stellen wieder ablegen, teilweise mit großer Präzision im Millimeterbereich. In den ersten Jahren dieser Liga wurde von allen Teams der youBot von Kuka verwendet. Seit dessen Produktion eingestellt wurde, treten die Teams mit selbst gewählten und konfigurierten Plattformen an.

Um die Entwicklung voranzutreiben, gibt es Technical Challenges, die besondere Herausforderungen stellen. So soll in diesem Jahr die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter erprobt werden. Dabei bringt der Roboter seinem menschlichen Kollegen verschiedene Teile, die dieser zusammenfügt. Wenn er damit fertig ist, muss er dem Roboter durch eine Geste oder einen Sprachbefehl signalisieren, dass dieser das Produkt abtransportieren kann. Elektronische Kommunikation per Kabel, Funk oder Knopfdruck auf dem Roboter ist nicht erlaubt.

RoboCup 2023: Logistics League (9 Bilder)

Sieht kompliziert aus? Ist es auch: In der Logistics League müssen die Roboter Bauteile und zwischen den Produktionsmaschinen hin und her transportieren und schließlich das fertige Produkt möglichst pünktlich in die Auslieferung bringen. (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Diese Art der Mensch-Roboter-Interaktion war bislang vor allem beim Wettbewerb für Haushaltsroboter in der RoboCup@home League ein zentrales Thema. Inwieweit sich die Erkenntnisse und Erfahrungen, die hier gewonnen wurden, nun auch in den industriellen Ligen auszahlen, wird sich zeigen. Mit den Pumas aus Mexiko hat sich ein Team, das bisher bei RoboCup@home recht erfolgreich war, erstmals für die Logistics League angemeldet. Mit nur einem Roboter werden sie gegen die erfahreneren und besser ausgestatteten Mitbewerber kaum bestehen können. Aber vielleicht überraschen die Pumas ja mit bemerkenswerten Einzelleistungen.

(mho)