Roboter-Blindenhunde: Was müssen sie können?

Studien zu Roboter-Blindenhunden gibt es viele. Zur Serienreife hat es aber noch keiner geschafft. Forscher haben sich nun systematisch dem Thema angenähert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 13 Kommentare lesen
Ein Roboter-Blindenhund an einer Leine.

Ein Roboter-Blindenhund kann Sehbeeinträchtigte sicher navigieren.

(Bild: Stephen Folkerts / Binghamton University)

Lesezeit: 3 Min.

Blindenhunde können sehbeeinträchtigten Menschen wieder ein gewisses Maß an Autonomie verschaffen. Doch ausgebildete Blindenhunde gibt es zu wenig, sind teuer und vielfach können sie nicht ausreichend von ihren Nutzern versorgt werden. Hier kommen Roboter-Blindenhunde ins Spiel. Welche Erwartungen sie erfüllen müssen, haben Forscher der University of Massachusetts Amherst in einer wissenschaftlichen Studie untersucht.

"Es gibt 40 Jahre an Studien, und keiner dieser Roboter wird tatsächlich von Endbenutzern eingesetzt. Wir haben versucht, dieses Problem zuerst anzugehen, damit wir, bevor wir die Technik entwickeln, verstehen, wie sie [die Sehbeeinträchtigten] den Blindenhund nutzen und auf welche Technik sie warten", sagt Donghyun Kim, Professor am UMass Amherst Manning College of Information and Computer Science und einer der beteiligten Studienautoren.

Ziel der Studie "Towards Robotic Companions: Understanding Handler-Guide Dog Interactions for Informed Guide Dog Robot Design", die in Proceedings of the CHI Conference on Human Factors in Computing Systems veröffentlicht ist, sollte es daher sein, die Anforderungen herauszufinden, die an Roboter-Blindenhunde gestellt werden.

Dazu führte das Forschungsteam qualitative Interviews und Beobachtungssitzungen mit 23 sehbeeinträchtigten Blindenhundeführern sowie fünf Ausbildern dieser Art von Hunden durch. Die Interviews haben die Forscher analysiert, um so herauszufinden, welche Einschränkungen Blindenhunde haben, welche Erwartungen an sie gestellt werden und welche Schlüsse daraus für die Entwicklung von Roboter-Blindenhunden abgeleitet werden können.

Als ein wichtiger Aspekt kristallisierte sich dabei die Frage nach dem Gleichgewicht zwischen der Autonomie des Roboters und der menschlichen Kontrolle heraus. Die Wissenschaftler hatten ursprünglich angenommen, ein Roboter-Blindenhund habe ähnlich zu funktionieren, wie ein autonomes Auto. Der Roboter also den Blinden dorthin navigiert, wo er allein nicht hinkommt. Das nimmt der sehbeeinträchtigten Person jedoch zu viel der eigenen Selbstbestimmung, wie die Forscher aus den Interviews erfahren haben. Vielmehr wollen die Blinden den gesamten Weg kontrollieren können. Der Hund soll lediglich dazu dienen, lokale Hindernisse zu umschiffen. Hinzu kommt, dass ein Blindenhund aber trotzdem in der Lage sein muss, bestimmte Ziele selbstständig anzusteuern.

Darüber hinaus haben die Wissenschaftler eine Reihe ganz praktischer Kriterien gefunden, die ein Roboter-Blindenhund erfüllen sollte. Dazu gehört etwa die Laufzeit. Rund 90 Prozent der Befragten war diese wichtig, denn aktuelle vierbeinige Roboter haben lediglich eine Akkulaufzeit von weniger als vier Stunden. Auch sei es wichtig, dass der Roboterhund mehrere Kameraperspektiven nutzt, um so etwa Hindernisse erkennen zu können, die sich über dem Kopf des Sehbeeinträchtigten befinden. Auch könnten sich Audiosensoren als hilfreich erweisen, um etwa Gefahren wahrnehmen zu können, die sich aus verdeckten Bereichen annähern. Zudem sollte der Roboter-Blindenhund in der Lage sein, beim Einstieg in das richtige öffentliche Verkehrsmittel und bei der Sitzplatzsuche zu helfen.

Die Wissenschaftler sehen ihre wissenschaftliche Arbeit mit 2000 Minuten Audio- und 240 Minuten Videomaterial als einen ersten Ausgangspunkt an, um daraus noch weitere Kriterien für einen Roboter-Blindenhund abzuleiten.

Das sah die Jury der Conference of Human Factors 2024 genauso. Das Papier erhielt auf der Konferenz die Auszeichnung "Best Paper Award". Die Studie gehört damit zu den besten ein Prozent aller zur Konferenz eingereichten wissenschaftlichen Arbeiten.

(olb)