Roboter für Nukleareinsätze erfordern neue Beschaffungsverfahren

Der Roboterwettbewerb Enrich im AKW Zwentendorf hat begonnen. Die Roboter sind nicht in allen Punkten den vielfältigen Herausforderungen gewachsen.

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(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

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  • Hans-Arthur Marsiske

Beim Roboterwettbewerb Enrich im österreichischen Zwentendorf haben die teilnehmenden Teams am Dienstag begonnen, ihre Roboter im Innenbereich des Kernkraftwerks zu testen. Wie im realen Wettbewerb haben sie dafür jeweils 30 Minuten Zeit. Wettbewerbsleiter Frank Schneider (Fraunhofer FKIE) betonte bei einem Pressegespräch allerdings, dass Enrich kein Wettbewerb im konventionellen Sinne sei. Es gebe keine Preise zu gewinnen und es würden auch keine Sieger ermittelt. Die Veranstaltung wird daher offiziell auch als "Hackathon" bezeichnet.

Tatsächlich sind die teilnehmenden Roboter so unterschiedlich, dass ihre Leistungen kaum sinnvoll miteinander verglichen werden könnten. Das zeigt sich schon bei der Mobilität: So haben nur Roboter mit Kettenantrieb eine realistische Chance, alle geforderten Wegpunkte zu erreichen. Radgetriebene Systeme werden dagegen an den Treppen und wahrscheinlich auch an den Bodenschwellen scheitern. Auch verfügen nicht alle Roboter über einen Manipulatorarm, um Ventile zu schließen oder die 12 Kilogramm schwere Puppe, die eine verletzte Person darstellt, zu bergen.

Und schließlich setzt auch die Sensorausstattung Grenzen. So hat das Team Dynamics von der Fachhochschule Oberösterreich den kleinen Gammadetektor für ihren Quadrokopter nicht rechtzeitig erhalten und muss sich daher auf die Erstellung einer dreidimensionalen Umgebungskarte ohne Eintragung der jeweiligen Strahlungsintensitäten beschränken. Das polnische Team MSAS hingegen konzentriert sich von vornherein auf fotorealistische 3D-Kartenerstellung und strebt insbesondere kostengünstige Systeme an. In diesem Jahr ist der Roboter mit einem starren Laserscanner ausgestattet, dessen Strahl auf einen rotierenden Spiegel trifft. Im Zusammenspiel mit einem rotierenden Velodyne-Laserscanner und einer 360-Grad-Kamera soll das System in der Lage sein, Hindernisse in Entfernungen bis zu 200 Meter zu erkennen.

Beim Team RobotTHIx der TH Ingolstadt, hervorgegangen aus dem dort erst im Oktober 2020 neu eingerichteten Robotikkurs, dürfte das Lernen und Sammeln von Erfahrungen im Vordergrund stehen.

Letzteres gilt allerdings wohl für alle Teams. Die Möglichkeit, mit echten Strahlungsquellen arbeiten zu können, sei weltweit einzigartig, sagte Schneider. Das habe auch Teams aus den USA und Großbritannien angelockt. Er dankte dem österreichischen Bundesheer, das für die Veranstaltung wieder 12 radioaktive Proben (Kobalt-60 und Cäsium-137) zur Verfügung stellt.

Impressionen vom ersten Tag des Roboterwettbewerbs Enrich 2021 (4 Bilder)

Die Kombination aus Laser und rotierendem Spiegel auf dem Roboter des polnischen Teams MSAS soll es erlauben, Hindernisse in bis zu 200 m Entfernung zu erkennen. (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Ohne echtes strahlendes Material ließe sich der Umgang mit Radioaktivität ansonsten kaum erproben. Michael Janisch, Leiter des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik in Österreich, hob hervor, dass Rettungskräfte auf Unfälle mit chemisch oder biologisch gefährlichen Stoffen einigermaßen vorbereitet seien. Für solche Fälle gebe es geeignete Schutzkleidung, radioaktiv verstrahlte Bereich dagegen seien für Menschen komplett unzugänglich. Hier seien Roboter gefordert. Allerdings: "Unsere heutigen Fähigkeiten sind bislang noch überschaubar", so Janisch. Der Reifegrad der Technologie liege derzeit noch deutlich unter dem für Beschaffungen erforderlichen Niveau.

Die Lösung könne aber nicht darin bestehen, auf die Reifung der Technologie zu warten. Vielmehr erfordere die Robotik andere Beschaffungsverfahren. Es gelte, die Bedarfsträger mit Forschung und Industrie zusammenzubringen und permanent zu üben. Ansonsten bestehe das Risiko, dass das gewünschte Produkt zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Beschaffung schon wieder veraltet sei. Es gehe um einen sehr kleinen, für Industrieunternehmen uninteressanten Markt. Statt auf ein ausgereiftes Produkt zu warten, müssten sich die Anwender daher wahrscheinlich auf eine Abfolge von Prototypen einstellen. Es seien offene Systeme gefordert und Einsatzteams, die sich damit rasch auf immer wieder neue Situationen einstellen – also improvisieren und "hacken" können.

(olb)