Roboterdaumen: Mit dem Sechsten greift man besser

Ein zusätzlicher, künstlicher Daumen soll die Greiffähigkeit der menschlichen Hand verbessern können. Das haben Forscher an Probanden ausprobiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 16 Kommentare lesen
Roboterdaumen an einer menschlichen Hand mit fünf, beziehungsweise sechs, Fingern.

Der Roboterdaumen lässt mehr Greifmöglichkeiten zu.

(Bild: Dani Clode Design & The Plasticity Lab)

Lesezeit: 4 Min.

Ein Forschungsteam der University of Cambridge hat einen Roboterdaumen entwickelt, der die Greiffähigkeiten des Menschen verbessern können soll. Der zusätzliche Daumen ermögliche es, größere und komplexere Objekte aufzunehmen. Außerdem können mit einer Hand Aufgaben durchgeführt werden, für die bislang zwei Hände nötig waren.

Der Roboterdaumen, den die Forscher in ihrer Studie "Evaluating initial usability of a hand augmentation device across a large and diverse sample" beschreiben, die in Science Robotics erschienen ist, wird so an die menschliche Hand geschnallt, dass er sich dann neben dem kleinen Finger befindet. Den künstlichen Daumen bauten die Forscher aus Teilen aus dem 3D-Drucker auf. Er wird elektromotorisch über einen Seilzug bewegt und verfügt über drei bewegliche Gelenke.

Die Ansteuerung des zweiten Daumens ist etwas trickreich: Er wird über den linken und rechten Zeh des Trägers gesteuert. Dazu haben die Wissenschaftler unter den Zehen jeweils einen Drucksensor angebracht. Wird Druck mit dem rechten großen Zeh ausgeübt, dann wird der Daumen quer über die gesamte Hand angezogen. Auf Druck mit dem linken Zeh wird der Daumen nach oben zurück zu den Fingern gezogen. Die Bewegung kann dabei recht genau gesteuert werden, denn der Daumen bewegt sich proportional zur Stärke des ausgeübten Drucks. Lässt der Druck nach, kehrt der Daumen wieder in seine Ausgangsposition zurück.

Die Wissenschaftler testeten den Roboterdaumen innerhalb von fünf Tagen an 596 Probanden im Alter von 3 bis 96 Jahren. Kinder verwendeten eine kleinere, an ihre Hände angepasste Variante. Lediglich vier der Tester konnten den Daumen gar nicht ansteuern, etwa weil er sich nicht sicher an der Hand festschnallen ließ oder weil die Drucksensoren bei leichtgewichtigen Kindern nicht ausreichend reagierten und damit für sie nicht geeignet waren.

Die Probanden hatten rund eine Minute Zeit, um sich mit dem Roboterdaumen an ihrer rechten Hand vertraut zu machen, schreiben die Wissenschaftler. Währenddessen erklärten die Forscher ihnen, welche Aufgaben sie mit dem künstlichen Daumen zu erledigen hatten.

Die erste Aufgabe bestand darin, innerhalb von 60 Sekunden so viele Stifte wie möglich von einem Steckbrett in einen Korb zu befördern. Das gelang 333 Probanden der 596 Teilnehmer. In einer zweiten Aufgabe sollten die Probanden den Roboterdaumen zusammen mit ihrer Hand benutzen, indem sie verschieden geformte Schaumstoffobjekte manipulieren und ebenfalls innerhalb von 60 Sekunden so viele wie möglich in einem Korb ablegen sollten. Dies gelang 246 Teilnehmern.

Die Forscher registrierten, dass es zwar unterschiedliche Fähigkeitsniveaus bei den Teilnehmern gab, allerdings das Geschlecht und die Tatsache, ob jemand Rechts- oder Linkshänder war, keinen Einfluss darauf hatte. Auch stellte sich heraus, dass eine besondere handwerkliche Begabung oder das Spielen eines Musikinstrumentes keinen signifikanten Einfluss auf die Bedienung hatte.

Ältere Erwachsene taten sich mit zunehmendem Alter aufgrund des sensomotorischen und kognitiven Leistungsabfalls allerdings schwerer beim Umgang mit dem künstlichen Daumen als jüngere. Ansonsten bewegte sich die Leistung in etwa auf einem ähnlichen Niveau. Jüngeren Kindern gelang es nur sehr schwer, den Roboterdaumen zu nutzen. Sechs von 13 Teilnehmern, die die Aufgabe nicht lösen konnten, waren unter 10 Jahre alt. Insgesamt zeigte sich, dass auch ältere Kinder mehr Probleme in der Anwendung hatten.

Die Wissenschaftler analysierten die Ergebnisse und kamen zu dem Schluss, dass bei der Nutzung dieser Technik verschiedene Aspekte zu berücksichtigen sind. Darunter fallen etwa das Alter, Gewicht, Lebensstile, körperliche Beeinträchtigungen, der kulturelle Hintergrund und die Technologieoffenheit der Anwender. Um hier genaue Schlüsse ziehen zu können, sei aber noch eine größer angelegte Studie nötig.

(olb)