Robotikkonferenz HRI: Die Fremdheit des Roboters anerkennen – und mit ihm tanzen

Auf der Human-Robot Interaction wurden Ansätze diskutiert, wie Roboter Vorurteile, soziale Ungleichheiten und Gegensätze ausgleichen oder verstärken können.

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(Bild: MikeDotta/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Diversität ist ein großes Thema bei Forschungen zur Mensch-Roboter-Interaktion. Im Zentrum steht dabei zumeist die Frage, inwieweit Roboter dazu beitragen können, bestehende Vorurteile, soziale Ungleichheiten und Gegensätze auszugleichen oder zu verstärken. Neben empirischen Studien etwa zur Bedeutung der äußeren Gestalt des Roboters gibt es auch grundsätzlichere theoretische Überlegungen.

Bei der Robotikkonferenz HRI (Human-Robot Interaction) ist das Bedürfnis, die Robotiktechnik so inklusiv wie möglich zu gestalten, kaum zu übersehen. So stellte Cristina Zaga (University of Twente) von einem niederländischen Forschungsteam entwickelte Werkzeuge vor, die helfen sollen, Diversität und Inklusion bereits früh im Entwicklungsprozess zu berücksichtigen. Jessica Barfield (University of Tennessee-Knoxville) untersuchte, inwieweit Nutzer einem Roboter eine bestimmte ethnische Herkunft zuordnen und welche Merkmale des Roboters dafür verantwortlich sind.

In einer Keynote berichtete Chieko Asakawa (IBM), die selbst seit ihrem vierzehnten Lebensjahr blind ist, vom Projekt AI Suitcase, bei dem ein Roboter in Gestalt eines Rollkoffers die Funktionen eines Blindenhundes übernehmen soll. Eine weitere Keynote von Ericka Johnson, die an der schwedischen Linköping University lehrt und forscht, wird am 16. März erläutern, wie feministische Theorie helfen kann, die wechselseitigen Verschränkungen von Mensch und Roboter besser zu verstehen.

Ebenfalls auf feministische Ansätze stützt sich die Studie "Dancing with the Nonhuman" von Petra Gemeinboeck (Swinburne University of Technology) und Rob Saunders (Leiden University). Sie plädieren dafür, den Roboter in seiner maschinellen Eigenart anzuerkennen, statt die Fremdheit mit einem menschenähnlichen Design zu überdecken. Anknüpfend an Konzepte der Physikerin und Philosophin Karen Barad fordern sie, in der Verschiedenheit von Mensch und Maschine kein Hindernis für die Interaktion zu sehen. Vielmehr gehe es darum zu verstehen, wie beide sich wechselseitig in der Interaktion erschaffen und aus dieser Begegnung heraus Handlungsmacht erwachse.

"Wir verstehen Beziehungen zwischen Mensch und Maschine als eine komplexe Ökologie", schreiben Gemeinboeck und Saunders, "bei der Mensch und Nichtmensch immer schon miteinander verschränkt sind: eine mehr-als-menschliche Begegnung. 'Mehr-als-menschlich' bedeutet hier eine Ablehnung des dualistischen Denkens, das auf einer hierarchischen Unterscheidung von Subjekt und Objekt, menschlichem und nicht-menschlichem Wesen beharrt. Soziale Handlungsmacht entsteht vielmehr zwischen beiden."

Diese von der Quantenphysik inspirierten Konzepte, von Karen Barad mit Begriffen wie "Intra-Action" und "Diffraction" auf den Bereich des Sozialen übertragen, erproben Gemeinboeck und Saunders in ihrem Machine Movement Lab, wo Tänzerinnen und Tänzer mit einfachen Artefakten, die bewusst nicht nach dem Vorbild von Lebewesen gestaltet sind, verschmelzen und die dadurch entstehenden Handlungsmöglichkeiten erkunden. Statt von Mensch-Roboter-Interaktion sprechen sie von "Mensch-Roboter-Erfahrung" und sind überzeugt, mit ihrem performativen Ansatz die Möglichkeiten für die Entwicklung des Designs von Robotern deutlich erweitert zu haben.

Bereits vor sechs Jahren hatte die Philosophin Johanna Seibt im Interview mit heise online gefordert, sich nicht in Diskussionen über den Status von Robotern ("Maschine, Person, Lebewesen… oder was?") zu verlieren, sondern sich auf die durch die ermöglichten Interaktionen zu konzentrieren. "Wenn Robotikingenieure sich als kulturelle Ingenieure verstehen, die Interaktionen programmieren, ist klar, dass sie auch narrative Strukturen anbieten müssen", sagte sie. "Alle Entscheidungen zum Design bewegen sich auch im narrativen Raum."

Diese zu der Zeit noch auf der Konferenz Robophilosophy diskutierten Gedanken entfalten inzwischen also auch bei Forschungen zur Mensch-Roboter-Interaktion ihre Wirkung. Bis sie auch in den Mainstream der Ingenieurwissenschaften vordringen, dürften aber wohl noch einmal einige Jahre vergehen.

(olb)