Rot-Grün in Hessen will Kfz-Kennzeichen-Scanning abschaffen

Die geplante neue hessische Koalition hat sich darauf verständigt, das hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung verfassungskonform zu gestalten und ein Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen.

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Die geplante rot-grüne Koalition in Hessen hat sich vorgenommen, den Datenschutz zu verbessern und von der amtierenden CDU-Regierung eingeführte umstrittene Sicherheitsmaßnahmen rückgängig zu machen. Generell lehnen SPD und Grüne "unverhältnismäßige Eingriffbefugnisse der Sicherheitsbehörden" ab, wie es im jetzt veröffentlichten Koalitionsvertrag (PDF-Datei) heißt. Zugleich halten die beiden Parteien aber auch fest, dass der Staat "der tatsächlichen Bedrohungslage Rechnung tragen" und zumindest für ein "subjektives Sicherheitsgefühl" seiner Bürger sorgen müsse.

Konkret soll das hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst und praktikabel gestaltet werden. DNA-Tests für Jugendliche und Kinder unter 14 Jahren sollen daher genauso abgeschafft werden wie die automatische Kennzeichenerfassung. Hessen wäre damit nach Schleswig-Holstein und Bremen das dritte Bundesland, das bewusst komplett auf die umstrittene Befugnis zum Nummernschild-Scanning verzichtet. Der geschäftsführende hessische Innenminister Volker Bouffier wollte die Lizenz für die Strafverfolger dagegen angepasst aufrecht erhalten. Zugleich schlug der CDU-Politiker Ende September vor, auch eine Befugnis für heimliche Online-Durchsuchungen im hessischen Polizeigesetz zu verankern. Diesen heiklen Punkt haben SPD und Grüne in der Koalitionsvereinbarung genauso ausgespart wie Änderungen beim großen Lauschangriff, der Telekommunikations- oder der Videoüberwachung.

Neben den Einschränkungen von Kompetenzen will Rot-Grün dem "jahrelangen Stellenabbau bei Polizei und Justiz entgegenwirken". Es soll ein "Präventionsgesetz" verabschiedet werden, um einen Schwerpunkt auf die "Ursachenbekämpfung von Kriminalität zu legen". Weiter sei eine gute technische Ausstattung der Polizei zu sichern. Darüber hinaus betont der Vertrag den "hohen Stellenwert" des Trennungsgebots von Verfassungsschutz und Polizei. Diesem sei bei der verfassungskonformen Ausgestaltung und Anwendung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz "besondere Aufmerksamkeit" zu widmen. Im Rahmen einer Novelle sei "der Schutz privater Lebensgestaltung" im Einklang mit den Vorgaben aus Karlsruhe zu gewährleisten.

Die Koalition hat sich ferner ins Stammbuch geschrieben, das Datenschutzrecht in Hessen zu modernisieren und zu stärken. So soll etwa die Aufsicht über den öffentlichen und den privaten Bereich in einem unabhängigen Landeszentrum nach Vorbild Schleswig-Holsteins zusammengeführt werden. Der Landesdatenschutzbeauftragte werde dann auch für Kontrollen der Wirtschaft zuständig sein, wie dies auch europarechtlich vorgeschrieben sei. Rot-Grün will im Innenbereich zudem "mehr Transparenz und Demokratie wagen". Zu diesem Zweck soll Hessen etwa nach acht anderen Bundesländern ein Informationsfreiheitsgesetz erhalten. Dieses soll einen Auskunftsanspruch der Bürger gegenüber öffentlichen Stellen des Landes und der Kommunen begründen.

Im Bereich Informationstechnik haben sich SPD und Grüne eine "neue Verwaltungssteuerung" vorgenommen. Die Implementierungsstrategie von Systemen zur Datenverarbeitung soll vor allem bei den eingesetzten SAP-Modulen und beim IT-System der Polizei auf Kosten und Projektumfang geprüft werden. Zum Thema E-Government steht pauschal geschrieben, dass die bestehenden Anwendungen verbessert und neue elektronische Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Zur Ankurbelung der Wirtschaft stehen Erleichterungen bei Existenzgründungen im Raum. So sollen Gründerkredite bei der hessischen Förderbank künftig online beantragt werden können.

In der Medienpolitik hat sich Rot-Grün verpflichtet, das "ganze Land" mit Breitband zu versorgen. Um dem Hessischen Rundfunk als öffentlich-rechtlicher Landesanstalt "Entwicklungsmöglichkeiten" zu geben, soll dieser "Angebote im Internet" schaffen dürfen. Bei der nächsten Änderung des Rundfunkstaatsvertrags werde die Landesregierung dies im Auge behalten. Einer Neuordnung der Rundfunkgebührenpflicht wolle man zudem nur zustimmen, solange "mindestens das bisherige Aufkommen" für ARD und ZDF gesichert werde. Generell soll sich der Politikwechsel in Hessen vor allem in den Bereichen, Bildung, Umwelt und Soziales sowie in einer neuen politischen Kultur ausdrücken. Hessen müsse unter anderem zum Musterland für Klima- und Naturschutz werden. Noch steht der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti aber eine Zitterpartie bei ihrer vorgesehenen Wahl zur Ministerpräsidentin am Dienstag bevor. Da eine SPD-Abgeordnete aus Darmstadt die beabsichtigte Tolerierung von Rot-Grün durch die Linke nicht mitmachen will, benötigt Ypsilanti die Stimmen aller anderen Volksvertreter aus den eigenen Reihen. (Stefan Krempl) / (pmz)