Russland: Essenslieferdienst-Leak verrät Geheimdienste und Militärs

Eine an die Öffentlichkeit gelangte Datenbank zu Bestellungen bei einem russischen Lieferdienst zeigt einmal mehr, wie viel die Daten verraten können.

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(Bild: buryakphoto/Shutterstock.com)

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Eine geleakte Datenbank eines russischen Essenslieferdienstes ist nicht nur echt, sondern bietet auch interessante Einblicke in die Welt der Geheimdienste und des Militärs des Landes. Das hat das Investigativportal Bellingcat ermittelt und zwei Wochen nach dem Bekanntwerden einige Erkenntnisse öffentlich gemacht. Anhand der Daten zu Kunden und Kundinnen von Яндекс.Еда ("Yandex.Eats") habe man nicht nur eine bislang unbekannte Person in Verbindung mit dem Giftanschlag auf den Oppositionspolitiker Alexei Nawalny identifizieren können. Man habe auch bereits bekannte Gebäude von Geheimdiensten und des Militärs als solche bestätigen und unbekannte finden können. Das Leak verdeutlicht damit einmal mehr, was für wertvolle Datenschätze Internetdienste ansammeln.

Wie es bei Bellingcat heißt, besteht die an die Öffentlichkeit gelangte Datenbank größtenteils aus Informationen "ohne legitimes Interesse für die Forschung", weshalb in dem Artikel auch nicht darauf verlinkt wird. Man habe die Daten nur dazu genutzt, um weitere Informationen über bereits bekannte Personen zu finden, auf die man bei anderen Recherchen gestoßen sei. So habe man in den Bestelldaten eine Telefonnummer gefunden, von der aus im Vorfeld des Giftanschlags auf Nawalny mehrfach mit den Offizieren des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB telefoniert wurde, die dafür verantwortlich sein sollen. Erst in dieser Datenbank habe man dazu einen Namen gefunden und eine E-Mail-Adresse. Die genaue Rolle der nicht genannten Person sei aber weiter unklar.

Gefunden haben die Fachleute außerdem einige wenige Bestellungen zu einem Gebäude des Militärgeheimdiensts GRU, das offenbar so gut gelegen ist, dass Essensbestellungen nicht nötig seien. Anders sehe das bei einem Gebäude aus, das sie dem FSB zuschreiben und das in einem Moskauer Vorort liegt. Dorthin seien viel mehr Bestellungen gegangen, begleitet von genauen Beschreibungen, was die Lieferanten am Checkpoint machen sollten. Über die Suche nach Worten wie "Militäreinheit" seien in den Daten obendrein andere Gebäude zu finden gewesen. Bei darauf aufbauenden Recherchen helfe dann, dass Yandex.Eats zu Bestellungen Standortkoordinaten der Bestellenden abspeichert.

Die Yandex-Datenbank war am 22. März online aufgetaucht, die Medienaufsicht Roskomnadzor hatte daraufhin intensiv versucht, ihre Verbreitung zu unterbinden. Enthalten waren laut Reuters Daten zu fast 60.000 Menschen, die über den Dienst Yandex.Eats Essen bestellt hatten. Das Leak fällt mitten in den auch digital ausgetragenen Krieg Russlands gegen die Ukraine, es ist aber bei Weitem nicht die erste sensible Sammlung russischer Daten, die öffentlich wird.

Bellingcat nutzt für die Recherchen seit Jahren Datenbanken etwa zu Mobilfunknummern oder Autozulassungen, die "aus verschiedenen Gründen" öffentlich geworden sind. Dazu zählt das Portal nicht nur Korruption und menschliche Fehler, sondern auch weitgehende Überwachungsgesetze, die dem Land damit immer wieder selbst auf die Füße fallen. In der Yandex-Datenbank hat das Team von Alexei Nawalny bereits die Wohnadresse einer mutmaßlich außerehelichen Tochter des Präsidenten Wladimir Putin gefunden.

(mho)