SCO vs. Linux: Boykott der Meinungsfreiheit?

Die deutsche Niederlassung der SCO Group hat gegen einen Entwickler eine einstweilige Verfügung erwirkt, die ihm unter anderem untersagt, eine Liste von SCO-Kunden im Internet zu veröffentlichen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 440 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Vor dem Oberlandesgericht Hamm ist eine Berufungsverhandlung (Aktenzeichen 6 U 23/04) anhängig, in der es darum geht, ob der Aufruf zum Boykott einer Softwarefirma zulässig ist, wenn dabei die Distributoren einer Firma angeschrieben werden.

Bei dem Versuch, eine Liste aller Geschäftspartner der deutschen Niederlassung der Firma SCO Group aufzustellen, schrieb der 43-jährige Softwareentwickler Andreas Kuckartz im vergangenen Jahr die Münsteraner Firma TraiCen Computer Training & Consulting GmbH an, die unter anderem Schulungen für SCO Unix, Red Hat und United Linux anbietet. Der Geschäftsführer der Firma antwortete darauf in einer E-Mail: "Ich möchte die Freiheit besitzen, mir meine Geschäftspartner ohne Einfluss von außen auszusuchen." Darauf antwortete der Entwickler sarkastisch: "Wie kommen Sie darauf, daß Sie eine solche Freiheit hätten? Jeder sollte die Freiheit haben, Firmen zu meiden, die mit SCO zusammenarbeiten."

Von TraiCen über den Vorfall ins Bild gesetzt, nahm die deutsche Niederlassung von SCO den Satz zum Anlass, gegen Kuckartz eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Münster (Aktenzeichen 15 O 476/03) zu erwirken, die ihm untersagt, mit Geschäftspartnern der SCO Group in Kontakt zu treten und die Veröffentlichung einer Kundenliste anzukündigen. Außerdem wurde ihm verboten, eine solche Liste im Internet zu veröffentlichen. Nicht verboten wurde ihm die generelle Kontaktaufnahme zu Kunden. Er darf über die Vorkommnisse in den USA informieren, wo die SCO Group in mehrere Auseinandersetzungen um Linux, angeblich aus Unix System V geklauten Code und die Urheberrechte an Unix verwickelt ist.

Gegenüber heise online erklärte Hans Bayer, Geschäftsführer der deutschen SCO-Niederlassung in Bad Homburg: "Wir haben mit unserer Verfügung in keiner Weise die freie Meinungsäußerung von Herrn Kuckartz per se eingeschränkt, sondern lehnen lediglich die Art und Weise ab, wie er dies gegen den ausdrücklichen Wunsch der Adressaten tut. Wir sind mit unserem Vorgehen auf den Wunsch unserer Geschäftspartner eingegangen und haben daher juristische Schritte eingeleitet."

Genau diese Schritte wertet Kuckartz jedoch als Beschränkung seiner Freiheit der Meinungsäußerung. Er betont, dass er alle Adressen aus seinem Verteiler genommen habe, die keine weiteren Mails von ihm erhalten wollten. Darüber hinaus spielen für ihn und seine Rechtsanwälte die US-amerikanischen Hintergründe eine Rolle. Sie zitieren darum ausführlich Meldungen von heise online, um zu dokumentieren, wie die SCO Group mit zunehmender Schärfe gegen Linux-Anwender vorgeht. In der Begründung zum Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung heißt es: "Es handelt sich um eine heftige geistige Auseinandersetzung über die freie Verbreitung des Betriebssystems Linux, in deren Rahmen auch unsachliche Äußerungen und Boykottaufrufe hingenommen werden müssen."

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe den Artikel auf c't aktuell (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online und aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (anw)