SCO vs. Linux: Ein Weckruf aus der Vergangenheit

1994 einigten sich die kurz zuvor von Novell gekauften Unix System Laboratories und die Universität von Kalifornien in einem Streit um Eigentumsrechte und die Verletzung von Firmengeheimnissen. Nun sind Details dieser Einigung veröffentlicht worden.

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Von
  • Detlef Borchers

In dem Streit zwischen der SCO Group und IBM um möglicherweise unrechtmäßig kopierten Code und um mögliche Vertragsverletzungen spielt eine Gerichtsentscheidung eine zentrale Rolle, die vor zehn Jahren die Unix-Welt erschütterte. Anfang 1994 einigten sich die kurz zuvor von Novell gekauften Unix System Laboratories (USL) und die Universität von Kalifornien in einem Streit um Eigentumsrechte und die Verletzung von Firmengeheimnissen.

Die nun öffentlich verfügbaren Vereinbarungen zeigen, dass die Position von SCO in Bezug auf mögliche Vertragsverletzungen von IBM noch schwächer sind als bisher angenommen. Als damaliger Lizenznehmer der USL hat IBM jetzt eine Reihe von Gründen mehr, vor Gericht die sofortige Einstellung des Verfahrens zu verlangen.

Aufgeschreckt durch die FreeBSD-Kampagne hatte die USL im Jahre 1992 die Universität verklagt, mit BSD Unix USL-Firmengeheimnisse verletzt und proprietären Unix-Code veröffentlicht zu haben. Im Gegenzug hatte die Universität ihrerseits die USL verklagt, Dateien aus BSD Unix im Unix System V entgegen der BSD-Lizenzbestimmungen ohne Nennung des Eigentümers veröffentlicht zu haben. Beide Seiten einigten sich 1994 vor Gericht darauf, den Streit abzubrechen. Die außergerichtlich getroffenen Details hinter dieser Einigung wurden versiegelt und damit zur Geheimsache erklärt. Unter Berufung auf das Geheimabkommen hatte sich die SCO Group -- ungeachtet der Streitereien mit Novell um den Verkauf der Distributionsrechte von Unix System V -- zum alleinigen Eigner von Unix System V erklärt.

Nun sind die Details dieser Einigung exhumiert worden: Ein Mitstreiter der unermüdlichen Prozessbeobachter von Groklaw hatte unter Berufung auf das kalifornische Informationsfreiheitsgesetz einen Antrag auf Einsichtnahme in die Einigung gestellt, der erfolgreich war. Seit gestern kann sich die Welt über den Text der zehn Jahre alten Einigung den Kopf zerbrechen, obwohl sie nicht sonderlich spektakulär zu sein scheint: Ohne ein Schuldanerkenntnis auf beiden Seiten und ohne entsprechende Strafzahlungen einigten sich die USL und die Universität von Kalifornien darauf, die jeweiligen Copyright-Vermerke nachzutragen und die freie Distribution unter den jeweiligen Lizenznehmern nicht zu behindern. Diese recht großzügigen Vereinbarungen erklären, warum die SCO Group IBM nurmehr wegen Vertragsverletzungen verklagt. Ursprünglich war der Konzern verklagt worden, das Copyright von Unix System V verletzt zu haben und Teile des Codes illegal in seine AIX-Entwicklung und danach nach Linux kopiert zu haben.

Die geheim gehaltenen Vereinbarungen ergeben vor dem Hintergrund den Sinn, dass der damalige Novell-Präsident Ray Noorda als frischer Eigentümer des Codes von Unix System V seinerzeit erklärte, man werde lieber auf dem Markt als vor Gericht miteinander konkurrieren. Im Sinne einer freien Entwicklung von Unix solle der Kunde das beste Unix oder Unix-Derivat benutzen können.

Unterdessen steht die Web-Präsenz von SCO weiter unter Beschuss von Hackern. Wer sco.com aufsucht, um dort eine Stellungnahme zur Veröffentlichung des vergleichs aus dem Jahre 1994 zu lesen, findet ein verfremdetes Logo mit dem Slogan: "We own all your code -- pay us all your money".

Zu den Entwicklungen im Streit zwischen SCO, IBM und der Open-Source-Gemeinde siehe den Artikel auf c't aktuell (mit chronologischer Linkliste zu Beiträgen auf heise online, aus Technology Review und der c't):

(Detlef Borchers) / (anw)