Scharfe Kritik im EU-Parlament an Bankdatentransfer in die USA

Die gemeinsame Kontrollinstanz für Europol hat dem Parlament erhebliche Mängel bei der Umsetzung der Datenschutzgarantien des so genannten Terrorist Finance Tracking Program geschildert.

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Von
  • Monika Ermert

Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat nach der Aussprache vom Mittwoch über den ersten Prüfbericht der Gemeinsamen Kontrollinstanz für Europol (GKI) zum Abkommen über Bankdatentransfers in die USA Europol-Chef Rob Wainwright zum baldigen Rapport bestellt. Die GKI hatte in ihrem Bericht, der nun von der Vorsitzenden Isabel Cruz in Brüssel vorgestellt wurde, über erhebliche Mängel bei der Umsetzung der Datenschutzgarantien des so genannten Terrorist Finance Tracking Program (TFTP) gesprochen. Das Parlament hatte im vergangenen Sommer dem neuen TFTP unter der Voraussetzung zusätzlicher Datenschutzgarantien zugestimmt.

Die Anfragen des US-Finanzministeriums seien zu vage, befand die GKI. Teilweise würden Begründungen für Anfragen mündlich nachgeliefert. Cruz sprach von Millionen übermittelter Daten im Rahmen von inzwischen acht Einzelanfragen. Die Bedenken des Europol-internen Datenschutzbeauftragten dazu seien häufig nicht berücksichtigt worden. Wainwright habe in seiner Antwort auf den GKI-Bericht inzwischen zugesichert, dass diese Stellungnahmen künftig dokumentiert werden sollen, damit sie bei weiteren Prüfungen mit vorliegen.

Das Parlament sei betrogen worden, sagte die liberale britische Abgeordnete Sarah Ludford. Der Bericht sei schockierend; dass Europol den längeren Annex zum GKI-Bericht kurzerhand als "Verschluss-Sache" eingestuft hat, könne das Parlament nicht hinnehmen. Ihr Parteikollege, der damalige Berichterstatter für das TFTP-Abkommen, Alexander Alvaro, meint, alles laufe so wie früher: "Nicht ein Funken mehr Grundrechtsschutz ist implementiert worden, und alles läuft so weiter wie früher." Die Bedenken des Parlamentes, das das ursprüngliche Abkommen gekippt hatte, seien nicht ernst genommen worden.

Alvaro hatte unmittelbar nach Bekanntwerden des Berichtes sogar personelle Konsequenzen bei Europol gefordert, wenn Wainwright sich nicht restlos erklären könne. Er kritisierte, dass das Recht der EU-Bürger auf Einsicht in möglicherweise von ihnen in den USA gespeicherte Daten wertlos sei, da die USA dazu vorab eine Ausweiskopie und Bankverbindungsdaten verlangten. Das Parlaments sieht auch den direkt beim Finanzministerium angesiedelten EU-Beamte, der den Prozess des Data Mining der US-Behörden beobachten soll, als Totalausfall an. Das Parlament hatte bislang sogar Mühe, den Namen des betreffenden Beamten zu erfahren, wetterten die Abgeordneten. Der Beamte müsse jetzt dringend dazu hören, was in Washington vor sich gehe, sagte Rui Tavares von den Linken. In allen Fraktionen fragt man sich inzwischen, ob das Votum für das TFTP ein Fehler war.

Cruz hatte auch kritische Anmerkungen zur Struktur des Abkommens zu machen. Europol sei eigentlich nicht die richtige Stelle, um die Auskunftsersuchen zu prüfen, sagte die GKI-Chefin. Dies sei eigentlich eine Aufgabe für Gerichte, nicht für die Polizei.

Aus Sicht der Grünen, die geschlossen gegen das Abkommen gestimmt hatten, sei schon vorher klar gewesen, dass das Abkommen nicht mit europäischen Grundrechten vereinbar sei, sagte Jan Philipp Albrecht. Es handele sich um Massendaten-Abfragen. Spätestens nachdem nun aber auch noch klar sei, dass die Datentransfers nicht kontrolliert würden und es keinen effektiven Rechtsbehelf für die Bürger gebe, müsse das Parlament die Konsequenzen ziehen. Er forderte daher dringend, das Abkommen mit sofortiger Wirkung zu kündigen.

Für morgen ist eine Aussprache mit Innenkommissarin Cecilia Malmström geplant, die ihren ersten Evaluierungsbericht zum TFTP abzuliefern hat. Malmström muss sich für die Debatte, die hinter verschlossenen Türen stattfindet, vermutlich auch warm anziehen. "Heute, morgen oder spätestens im Lauf der Woche" habe die Kommission dafür zu sorgen, das das Durchforsten der großen Datensets direkt in der EU vorgenommen wird, forderte die niederländische Liberale Sophie In't Veld. Damit könnte den US-Terrorjägern der "Daten-Hahn" zumindest ein wenig abgedreht werden. (anw)