Schnelleres WLAN: Mehr Querelen, mehr Kanäle

Während die Industrie noch um den nächsten Standard streitet, soll ein Funkwecker entstehen, der WLAN in Mobilgeräten energiesparsamer macht. Und obwohl viele Gerätehersteller sich um DFS drücken, will die WFA mehr Spektrum im 5-GHz-Band ergattern.

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WLAN
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Von
  • Jennifer Li
Inhaltsverzeichnis

Die ersten Tagungen der Wi-Fi Alliance (WFA) und der IEEE-WLAN-Arbeitsgruppe 802.11 anno 2017 standen ganz im Zeichen von 11ax. Der aktuelle Entwurf für den designierten Nachfolger der zurzeit schnellsten WLAN-Norm IEEE 802.11ac fiel im internen Abstimmungs- und Kommentarprozess (Letter Ballot) mit Pauken und Trompeten durch: Der Entwurf erreichte nur 58 statt der benötigten 75 Prozent Zustimmung. Außerdem gab es über 7000 technische Kommentare, die jetzt geklärt werden müssen.

Dennoch sind sich die Chip-Hersteller Quantenna und Qualcomm bezüglich des Inhalts der kommenden Norm schon so sicher, dass sie mit Produktankündigungen bereits im Oktober 2016 und Februar 2017 vorpreschten. Andere Fabrikanten zeigten sich wesentlich zögerlicher, da insbesondere in der WFA noch über die Mindestanforderungen für deren kommendes ax-WLAN-Zertifikat gestritten wird. Dabei kaschiert der ein oder andere Hersteller eigenes Unvermögen auch gerne mal mit blumigen Worten.

IEEE 802.11ax nutzt OFDMA bei Multi-User-MIMO, um Daten an mehrere Stationen gleichzeitig mit individuell optimaler Datenrate zu senden. Neu ist auch Uplink-MU-MIMO, bei dem die Basis (AP) von mehreren Clients (STA) gleichzeitig Daten empfangen kann.

(Bild: Adrian Stephens, Intel / IEEE )

Insbesondere Multi-User-MIMO im Uplink (UL) – das Client-Pendant zum mit der zweiten 802.11ac-Generation (Wave 2) eingeführten MU-MIMO auf der WLAN-Basis (AP) – wollen einige Hersteller erst in einer zweiten 802.11ax-Generation einführen. Ob die WFA-Zertifizierung UL-MU-MIMO für alle Geräte von Beginn an verpflichtend macht, hängt von den Firmen ab, die MU-MIMO schon heute für eines der wichtigsten Verkaufsargumente halten. Manche AP-Hersteller im professionellen Umfeld mahnen, nicht zu warten, denn in Form von MuLTEfire wähnen sie technische Konkurrenz aufkommen.

Nachdem die US-amerikanische Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) ihren offiziellen Segen für das proprietäre LTE-U und das von der 3GPP entworfene LAA-LTE erteilt hat, tritt mit MuLTEfire eine dritte Variante für LTE im unlizenzierten Spektrum auf. Während die beiden erstgenannten Varianten reine Beschleuniger für den Mobilfunk sind, arbeitet MuLTEfire unabhängig von lizenziertem Spektrum und kann auch die Aufgaben übernehmen, die WLAN heute erledigt.

Bis in einer Fritzbox statt eines WLAN-Funkmoduls aber MuLTEfire für die heimische Funkabdeckung sorgt, wird es noch dauern. Dennoch zeigen sich die WLAN-Platzhirsche sehr nervös. Dass mit Cisco, CableLabs und Ruckus (nun Teil von Arris) im MuLTEfire-Entwickler-Gremium auch noch ausgewiesene LTE-U- und LAA-LTE-Gegner sitzen, macht die MuLTEfire angedichteten Vorteile gegenüber WLAN nur brisanter. So mahnen WLAN-Hersteller, dass 802.11ax nicht den technischen Anschluss verpassen dürfe und dass die Industrie sich eine trödelige Zweigenerationen-Strategie wie bei der 802.11ac-Markteinführung nicht leisten könne.

Interessanterweise scheint aber gerade das mit 802.11ax hinzugefügte OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access), das die Grundlage aller LTE-Varianten bildet, nicht genug zur erhofften Performance-Vervierfachung beizutragen. Da es den an 802.11ax beteiligten Herstellern schwerfällt, die vorgegebenen Verbesserungen zu demonstrieren, einigte sich die Arbeitsgruppe 802.11ax (TGax) kurzerhand darauf, die Simulationsannahmen so zu ändern, dass die gewünschten Studienergebnisse leichter erzielt werden können.

802.11ax soll auch im Single-User-Betrieb zulegen: Die bei 11ac noch proprietäre Modulationsart QAM1024 (10 Bit/Symbol) wird normiert. Sie bringt bei guten Verbindungen 25% mehr Durchsatz als QAM256 (8 Bit/Symbol). Dichter gepackte OFDM-Träger und ein viermal so langer Datenslot steigern den Gewinn gegenüber 11ac weiter auf rund 50% insgesamt.

(Bild: Adrian Stephens, Intel / IEEE )

Ungemach droht 802.11ax auch von juristischer Seite: Nachdem die Schwergewichte der WLAN-Branche – Broadcom, Intel, Marvell, MediaTek, Qualcomm und weitere – beim Hintergehen des 802.11-Gremiums erwischt wurden, beschloss das im Anschluss an das November-Treffen tagende IEEE 802 Executive Committee (EC) alle Mitglieder des DensiFi-Kartells auf eine gemeinsame Stimme zu reduzieren. Normalerweise hat in den IEEE-802-Gruppen jeder einzelne Teilnehmer eine Stimme. Je mehr Vertreter ein Unternehmen entsendet, umso größer ist folglich sein Einfluss – auch wenn es offiziell keine Weisungsbefugnis bezüglich der Tagung hat.

Der zu Intel gehörende Vorsitzende der IEEE-WLAN-Gruppe interpretierte die Auflagen des EC so, dass Mitarbeiter eines DensiFi-Mitglieds ihr Stimmrecht zurückerhalten, sobald sich deren Arbeitgeber vom Kartell lossagt. Zwischen Ende November und Mitte Dezember löste sich denn auch das DensiFi-Kartell flugs auf und erreichte so, dass sich der Entzug des Stimmrechts nicht auf das Votum über den ersten 802.11ax-Entwurf auswirkte. Konsterniert stellte der ehemalige Beschwerdeführer daher fest, dass die gegen DensiFi verhängten Maßnahmen Null Wirkung haben.

Dass manche Unternehmen nichts aus dem DensiFi-Skandal gelernt haben und sich ob der Gegenmaßnahmen gänzlich unbeeindruckt zeigen, lässt sich Insidern zufolge daran ablesen, dass die Tricksereien in der WFA-ax-Gruppe nahtlos weitergehen. So wird auch dort mit harten Bandagen versucht, Abstimmungsergebnisse in die gewünschte Richtung zu drücken.

Dass die Tricksereien der WLAN-Schwergewichte bislang nur zu Symbolpolitik in Form von weiteren Verhaltensvorschriften führte, enttäuschte den Beschwerdeführer und weitere Parteien so sehr, dass sie beim IEEE-SA Standards Board Widerspruch gegen die unzureichenden Maßnahmen einreichten. Dieses Gremium ist dem IEEE 802 EC vorgesetzt und befasste sich aus formalen Gründen zunächst nicht mit dem Widerspruch. Insider erwarten jedoch, dass sich das SASB zu einer der nächsten Tagungen des Themas annehmen wird.

Ob diese Geplänkel noch Auswirkungen auf 802.11ax-Produkte haben, darf bezweifelt werden, denn mehr als einmal haben die WFA und ihre Mitglieder bewiesen, dass sie ihre Zertifizierungsprogramme auch anhand von Norm-Entwürfen ausarbeiten können. Inkonsistenzen zwischen dem finalen 802.11-Standard und den darauf aufbauenden WFA-Produktzertifizierungen sind dann ärgerlicherweise unvermeidbar. Mit den differierenden Spezifikationen WMM der WFA und 802.11e des IEEE gibt es beim QoS im WLAN ein unrühmliches Beispiel.

Abseits der High-Efficiency-WLAN-Streitereien tagte im Januar 2017 erstmalig die frĂĽhere Wake-up Radio Study Group als Arbeitsgruppe TGba. Der ambitionierte Zeitplan des Projektes 802.11ba sieht vor, binnen zwei Jahren einen energiesparenden Weckfunk zu entwerfen. Ein separates Funkmodul soll die WLAN-Schnittstelle aus dem energiesparenden Tiefschlaf reiĂźen, sobald die WLAN-Basis mitteilt, dass Daten bereitliegen.

Wake-up Radio (3 Bilder)

Bei herkömmlichem WLAN muss das Funkmodul mehrere Male pro Sekunde aufwachen, um die Beacons der WLAN-Basis zu erhaschen. Darin ist verzeichnet, ob Daten für den Client auf Auslieferung warten.
(Bild: Adrian Stephens, Intel / IEEE )

Die Gruppe hofft, dass künftige WLAN-Module mit weniger als 1 Milliwatt im Standby auskommen. Davon werden Mobilgeräte enorm profitieren, deren WLAN und manchmal auch der Hauptprozessor gegenwärtig viel zu häufig aufwachen muss, um keine Steuerinformationen des AP zu verpassen. Dennoch sind Stimmen zu vernehmen, dass WLAN trotz 802.11ba nicht mit den Energiesparmeistern Bluetooth Low Energy und ZigBee mithalten können wird.

Während der WFA-Tagung im Februar kam ans Licht, dass in der Geschichte der Wi-Fi-Alliance zum ersten Mal weniger Wi-Fi-Zertifizierungen als in den vorangegangenen 12 Monaten erteilt wurden. Nichtdestotrotz erwarten Marktbeobachter, dass mit über 3 Milliarden 2017 abermals mehr WLAN-fähige Geräte als im Vorjahr verkauft werden.

Da in der großen Menge an Zertifizierungsvarianten längst nicht jedes Programm ein Erfolg ist, verstärkt die WFA ihre Anstrengungen, deren Qualität und Relevanz zu steigern. Hervorzuheben ist dabei Wi-Fi Vantage: Es kombiniert 802.11ac mit dem WFA-Verfahren Passpoint für Hotspot-Logins, um die lästige WLAN-Anmeldung zu vereinfachen. Später sollen Optimized Connectivity Experience und Multiband Operation Teil von Vantage werden. Dahinter verbergen sich zwei Elemente: Das inzwischen in Firmen-WLANs gängige Band- beziehungsweise Client-Steering soll Geräte aktiv auf das jeweils günstigere WLAN-Funkband lenken, bei Überlastung aber auch ganz abweisen. Außerdem wird Unterstützung für systematisches und rechtzeitiges Roaming verpflichtend, also der automatische Wechsel zwischen gleich benannten WLAN-Zellen in größeren Installationen.

Auch das 60-GHz-WLAN kriegt eine Beschleunigung: Der Entwurf für 802.11ay sieht das Koppeln mehrerer 2 GHz breiter Kanäle vor. Aus den bei 802.11ad aktuell üblichen 4,6 GBit/s brutto im Single-Carrier-Modus könnten so rund 9 oder gar 14 GBit/s werden.

(Bild: Adrian Stephens, Intel / IEEE )

Ob auch die technische Qualität der Funkmodule harmonisiert wird, steht noch nicht fest. Professionelle WLAN-Betreiber wünschen sich, dass Sendeleistung und Empfangsempfindlichkeit der WLAN-Module weniger streuen als heute, damit ihr Support seltener Probleme lösen muss. Denn wenn an einer bestimmten Stelle der Wohnung das xTablet noch eine WLAN-Verbindung hat, das yPhone aber nicht, trägt ja kaum der Provider die Schuld. Bis die WFA den LTE-Geräteklassen entsprechende Kategorien einrichtet, wird es jedoch noch lange dauern.

Viel Geduld brauchen auch alle die Spektrumsregulierung betreffenden Themen. In den letzten Jahren hatte sich die WLAN-Industrie Hoffnung gemacht, in den USA Zugriff auf das UNII-2B-Band zu bekommen (5350 bis 5470 MHz, Kanal 68 bis 96). Dem hat die FCC aber eine Absage erteilt, UNII-2B wird bis auf Weiteres nicht für WLAN & Co. geöffnet.

Dazu beigetragen hat auch, dass die Radarkanäle 120 bis 128 – wegen der geforderten Dynamic Frequency Selection auch DFS-Kanäle – so wenig genutzt werden. Getreu dem Motto „Use it or lose it“ stellen Regulierer weltweit inzwischen den von der WFA behaupteten Spektrumsbedarf infrage. Wenn die Hersteller durch nicht implementiertes DFS auch andere Kanalbereiche brachliegen lassen, gibt es keinen Grund, weiteres Spektrum bereitzustellen.

Aufgeschreckt von dieser Zurückweisung hat die WFA eine Arbeitsgruppe gebildet, die nach den Ursachen der schon früher beklagten DFS-Trägheit forschen soll. Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete, trägt die restriktive Rolle der FCC eine Teilschuld. So dauert es mindestens vier Monate, bis ein Gerät die in den USA zum Nutzen der Radarkanäle nötige FCC-Freigabe erhält. Ohne DFS kommt es viel schneller in den Handel. Trotz dieses Rückschlags schaut die WFA-Spektrumsgruppe nach vorn und lotet aus, ob künftig auch der Frequenzblock von 5,925 GHz bis 6,7 GHz  – 775 MHz entsprechend 38 Kanälen à 20 MHz – für die Sekundärnutzung durch WLAN bereitstehen könnte.

Das Electronic Communications Committee der CEPT (Conférence Européenne des Administrations des Postes et des Télécommunications) will ebenfalls untersuchen, ob sich der 6-GHz-Bereich in Europa für WLAN mitnutzen lässt. Eine Studie von Qualcomm ruft die Regulierer gar dazu auf, rund um das 5-GHz-Band künftig insgesamt 1280 MHz für WLAN bereitzustellen. Sonst wären Nutzdatenraten bis 1 GBit/s netto weder in Firmen-WLANs noch in dicht besiedelten Wohngegenden erzielbar. (ea)