Schufa-Urteil macht Schule: DSGVO-Beschwerde wegen verweigerter Stromversorgung

Ein Österreicher wollte Strom, doch der staatliche Anbieter sagte Njet. Vollautomatisch, ohne menschliche Prüfung. Das ist illegal, sagt Datenschützer Noyb.​

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Viele Menschen, die in einer Wiener U-Bahn-Station zum Stiegenaufgang drängen, fotografiert von hinten

Wer von ihnen darf Strom beim staatlichen Anbieter Unsere Wasserkraft bestellen?

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Update
Lesezeit: 3 Min.

Datenschutzbeschwerden gegen den Kreditschutzverband aus 1870 (KSV) und den staatlichen Stromanbieter Unsere Wasserkraft hat die österreichische Datenschutzorganisation Noyb (none of your business) eingebracht. Anlass ist die vollautomatische Ablehnung eines Antrages auf Stromversorgung durch Unsere Wasserkraft, beruhend auf einer "unzureichenden Bonitätsbewertung".

Dies ist laut Mitteilung Noybs einem Österreicher widerfahren. Er bestellte online Stromversorgung bei Unsere Wasserkraft, einem im Eigentum des Landes Steiermark stehenden Anbieter. Nach wenigen Minuten hieß das Unternehmen den Neukunden per E-Mail willkommen – doch nur eine Minute später kam bereits das Stornomail: Wegen einer unzureichenden Bonitätsbewertung komme doch kein Vertrag zustande.

Die kurze Zeitspanne belege, dass diese Entscheidung vollautomatisch getroffen wurde, betont Noyb. Bei der Firma könne sich kein Mensch mit dem Antrag auseinandergesetzt haben. Dabei sei genau das rechtlich verpflichtend: Artikel 22 der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verbietet ausdrücklich automatisierte Entscheidungsfindung inklusive Profiling, soweit es dafür keine Einwilligung oder gesetzliche Grundlage gibt – diese muss aber mit den Betroffenenrechten ausgewogen gestaltet sein.

Wird das Zahlungswahrscheinlichkeits-Scoring "maßgeblich" für eine Entscheidung herangezogen, gilt nicht erst diese Entscheidung, sondern schon das vorangegangene Scoring selbst als automatisierte Entscheidung im Sinne des Artikel 22 DSGVO. Das hat der EuGH in seinem Schufa-Urteil im Dezember erkannt. Verbraucher "müssen im Falle einer vollautomatisierten Entscheidung die Möglichkeit haben, einen echten Menschen zu involvieren, ihren eigenen Standpunkt darzulegen und die automatisierte Entscheidung anzufechten", folgert Noyb-Jurist Martin Baumann.

Der betroffene Österreicher musste sich anderswo Strom besorgen, forschte aber nach, und erfuhr, dass der KSV einen falschen Bonitätswert für ihn errechnet hatte. Der Anbieter hat den Score inzwischen verbessert. Grundsätzlich meint der KSV allerdings, dass die von ihm berechneten Wahrscheinlichkeiten keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der KSV-Kunden hätten. Der Anbieter hat sich in seinen Vertragsbestimmungen auch entsprechend abgesichert: KSV-Kunden müssen zusichern, die Datenschutzbestimmungen ein- und den KSV schadlos zu halten.

In diesem Gebäude in Wien III hat die österreichische Datenschutzbehörde ihren Sitz.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Außerdem heißt es in den KSV-Bedingungen: "Scorewerte können Vertragspartner bei einer allfälligen Entscheidungsfindung, ob ein Vertragsverhältnis begründet, fortgeführt oder beendet wird, unterstützen und in das Risikomanagement Eingang finden, wobei die Risikoeinschätzung eines möglichen Forderungsausfalles und die Beurteilung der Bonität durch den direkten (potenziellen) Geschäftspartner erfolgt."

Umgekehrt verweise Unsere Wasserkraft auf den vom KSV übermittelten Bonitätsscore, sagt Noyb. Damit der Betroffene nicht zwischen den Stühlen sitzen bleibt, unterstützt Noyb ihn bei seiner Beschwerde an die österreichische Datenschutzbehörde gegen beide Unternehmen gleichzeitig. Eines oder beide sollen gegen die Artikel 13, 14, 15 und 22 DSGVO verstoßen haben. Noyb fordert die DSB auf, dem KSV das Profiling zu untersagen, solange nicht sichergestellt sei, dass die Bewertungen nur für erlaubte Anwendungen genutzt werden.

Update

Der KSV hat gegenüber heise online betont, "stets gesetzeskonform" zu handeln. Der Stromanbieter habe den Stromantrag im Oktober 2023 abgelehnt, also vor der EuGH-Entscheidung. In Folge dieser habe der KSV seine Prozesse angepasst: "In unseren Auskunftsprodukten weisen wir explizit darauf hin, dass ein errechneter Scorewert nur ein Kriterium von vielen für die Bewertung der Bonität sein kann."

Unsere Wasserkraft hat heise online mitgeteilt, dass die Aufarbeitung der Beschwerde noch einige Zeit dauern wird und die Firma gegenwärtig keine Stellungnahme abgeben kann.

(ds)