Schutzanspruch auf Push-Dienste zum "Softwarepatent des Monats" gekürt

Aus der Juni-Runde für Endausscheidung des NoSoftwarepatents-Award ist der japanische Telekommunikationskonzern NTT mit einem Monopolanspruch auf die selektive Zustellung von Informationen als Sieger hervorgegangen.

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Aus der Juni-Runde für die im Herbst anstehende Endausscheidung des NoSoftwarepatents-Award ist der japanische Telekommunikationskonzern NTT mit einem Monopolanspruch auf die selektive Online-Zustellung von Informationen als Sieger hervorgegangen. Über 50 Prozent der 1483 Surfer, die sich an der Abstimmung beteiligten, stimmten für das vom Europäischen Patentamt (EPA) gewährte Schutzrecht mit der Nummer EP1022875 auf ein "Push-Netzwerk". Die Kampagnenmacher 1&1, GMX, mySQL, Red Hat und CAS sehen mit dem Patent "übliche Mailing-Listen, Internet-Foren und auch Firewalls" bedroht.

Der Hauptanspruch des Patents sowie 44 weitere von NTT abgedeckte Ansprüche beziehen sich auf Netzwerke, in denen die Verteilung von Informationen vom Server angestoßen wird. Insbesondere erklärt der japanische Konzern die Idee zu seinem geistigen Eigentum, anhand inhaltlicher und/oder kategorialer Merkmale darüber zu entscheiden, wer genau die versandten Datenpakete bekommt. Dabei handelt es sich laut den Initiatoren des Wettbewerbs aber um eines der Grundprinzipien der Informationsverteilung, das beispielsweise in Internet-Foren und im Usenet zur Anwendung kommt. Sie sehen Grundlagen der Funktionsweise des Internet selbst betroffen, da auch das Internet-Protokoll TCP/IP Informationspakete mit Kategorie-Identifikatoren, den so genannten Port-Nummern, versieht. Jede Firewall filtere Datenpakete anhand dieser Zahlenkombinationen – und verletze damit das Patent. NTT selbst schweigt sich zur Tragweite des Monopolanspruchs aus: Die Firma hat im Gegensatz zu den bisherigen Monatsgewinnern auf eine Einladung der Organisatoren zur Stellungnahme nicht reagiert.

Mit der Juli-Runde will die Informationskampagne auf die Anhörung zur zukünftigen EU-Patentpolitik am 12. Juli in Brüssel aufmerksam machen, da sie diesen Vorstoß der Binnenmarktkommission als "wichtigen Schritt hin zur Durchsetzung europäischer Softwarepatente" erachtet. Die in diesem Monat zur Wahl stehenden Patenten verbindet, dass Gegner nach der Erteilung durch das EPA gegen sie erfolglos Beschwerde einlegten. "Wenn das EPA Einsprüche gegen genehmigte Patente ablehnt, ist das in der gegenwärtigen Situation noch nicht das letzte Wort: Nationale Gerichte können solche Patente in ihren Ländern für unzulässig erklären", weiß der Kampagnen-Manager Harald Talarczyk. Diese Situation wird sich ihm zufolge nach Ratifizierung der aktuellen EU-Patentinitiativen drastisch ändern.

Im Zentrum der Kritik von Softwarepatent-Gegnern stehen die Neuregelungen durch das geplante European Patent Litigation Agreement (EPLA). Laut Florian Müller, dem Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com, würde dieses Streitregelungsabkommen die Tore für eine Flut von Softwarepatenten und Klagen wegen Patentverletzungen öffnen. "Ein neues Europäisches Patentgericht würde Softwarepatente aufrechterhalten, die von nationalen Gerichten gegenwärtig noch für unzulässig erklärt werden", erläutert der Lobbyist. Unternehmen hätten damit auch die Chance, ihre Softwarepatente europaweit rechtlich durchzusetzen. Zudem würde es attraktiver, solche Patente einzuklagen.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)