Schweiz: E-Voting nicht bis zu Nationalratswahlen im Herbst fertig

Nur in vier Kantonen werden im Ausland lebende Schweizer und Schweizerinnen elektronisch an der nächsten Nationalratswahl teilnehmen können. Eine Sicherheitslücke im von Unisys entwickelten System zwinge alle anderen zu Geduld.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 84 Kommentare lesen
Karte von Schweiz

(Bild: Schweizerische Bundeskanzlei)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Das seit dem Jahr 2000 von der Schweizer Regierung ins Leben gerufene Projekt E-Voting kommt nur schleppend voran. Am Samstag bat Bundesrätin Doris Leuthard, die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, am 93. Auslandschweizerkongress in Genf um Geduld bei der Einführung des elektronischen Abstimmens.

Geplant war einstmals, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger bereits 2010 alle Abstimmungen, Wahlen und Unterzeichnungen von Volksinitiativen und Gesetzesreferenden auf elektronischem Wege erledigen können. Ein Hauptziel der E-Voting-Initiative in der Schweiz war, den fast 750.000 Auslandsschweizern eine einfache und verlässliche Teilnahme an Wahlen zu ermöglichen. Ende 2014 lebten 10 Prozent der Eidgenossen außerhalb der Landesgrenzen. In den Wahlregistern eingetragen sind derzeit allerdings nur rund 140.000.

Laut Berichten in den Schweizer Medien erhielten Mitte der Woche nur vier Kantone vom Bundesrat die Bewilligung, ihre Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer bei den Nationalratswahlen online wählen zu lassen. Weitere neun Kantone erhielten keine Bewilligung fürs E-Voting. Diese Kantone sind alle in einem "Consortiums Vote électronique" zusammengeschlossen.

Das Engagement aus dem Ausland sei zwar wichtig, unterstrich Leuthard vor den Mitglieder der "Fünften Schweiz". Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, unterstütze das elektronische Abstimmen für alle, sagte Leuthard auf dem Kongress. Das System müsse aber risikofrei sein.

Laut Medienberichten sei bei einem externen Audit eine Schwachstelle im Abstimmungssystem entdeckt worden, welches vom amerikanischen IT-Unternehmen Unisys entwickelt wurde. Diese Lücke kann technisch behoben werden, jedoch nicht mehr rechtzeitig vor den Nationalratswahlen, so der Bundesrat. Die Neue Zürcher Zeitung schreibt, es gehe um die theoretische Möglichkeit, dass ein Hacker gelöschte Daten wiederherstellen und somit herausfinden könnte, welcher Bürger welche Kandidaten gewählt hat.

Wie der Bundesrat mitteilt, kommen bei den Nationalratswahlen im Herbst als "elektronischer Stimmkanal zwei Systeme zum Einsatz". Sowohl dasjenige des Kantons Genfs, das in Genf, Basel-Stadt und Luzern zur Anwendung gelangt, als auch dasjenige des Kantons Neuenburg gehören der sogenannten zweiten Generation an und sind individuell verifizierbar. Dank dem Einsatz von personalisierten Codes haben die Stimmberechtigten die Möglichkeit, zu überprüfen, ob ihre Stimme korrekt übermittelt worden ist.

Diesen vier Kantonen hatte der Bundesrat am Mittwoch die Bewilligung erteilt, Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer an den Nationalratswahlen per Knopfdruck wählen zu lassen. Hinzu kommen in den Kantonen Genf und Neuenburg auch die dort ansässigen inländischen Stimmberechtigten, knapp 100.000 an der Zahl. Immerhin, so das Resümee mancher Medienorgane, seien die potenziell 130.000 elektronisch Wählenden deutlich mehr als noch in 2011. Damals nutzten lediglich 22.000 Auslandschweizer das Vote électronique. Der Kanton Zürich hatte 2011 seinen E-Voting-Test eingestellt.

Vom Bund heißt es als Fazit, man habe sich für dieses etwas behutsamere Einführungstempo des E-Voting entschieden. "Sicherheit vor Tempo, lautet unser Credo – und damit sind wir bisher gut gefahren." (jow)