Schweiz: Regierung billigt Wiederaufnahme von E-Voting-Tests

Das 2019 nach Problemen eingestellte E-Voting-System der Post ist laut Schweizer Regierung einsatzbereit. Es soll noch 2023 bei neuen Tests zum Einsatz kommen.

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(Bild: I'm friday/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, hat drei Kantonen (Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau) erneute Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe bei eidgenössischen Abstimmungen bewilligt. Der Dauerbrenner der schweizerischen Politik und ICT-Szene geht damit in eine weitere Runde – seit gut 20 Jahren müht sich das Land bereits mit dem "Projekt Vote électronique".

Zum bis dahin letzten Mal wurden im Jahr 2019 E-Voting-Systeme bei eidgenössischen Abstimmungen eingesetzt. Im selben Jahr wurde aber das E-Voting nach einer langjährigen Versuchsphase in bis zu 15 Kantonen und insgesamt rund 300 Probeläufen (mit insgesamt drei verschiedenen Stimmabgabe-Systemen) bis auf Weiteres gestoppt. Die Regierung beschloss, E-Voting vorläufig nicht als ordentlichen Stimmkanal einzuführen. Tests hatten damals Mängel bei der Verifizierbarkeit der Stimmabgabe gezeigt. Die vollständige Verifizierbarkeit (sowohl der individuellen als auch der universellen Stimmabgabe) ist wichtig, um die Sicherheit von E-Voting zu gewährleisten: Sie ermöglicht es, anhand von Prüfcodes und mathematischen Beweisen Manipulationen an den elektronisch abgegebenen Stimmen festzustellen und zu reagieren.

Wegen der festgestellten Mängel und sonstiger Sicherheitsbedenken erfüllte das damals eingesetzte E-Voting-System der Schweizerischen Post nicht die gesetzlichen Anforderungen der elektronischen Stimmabgabe. Die Post entschied daraufhin, das E-Voting-System nicht mehr fortzuführen und ein neues System zu entwickeln, das die Anforderungen erfüllt.

Inzwischen ist das neue E-Voting-System der Post bereit zum Einsatz im begrenzten Rahmen der bewilligten Versuche, verkündete am Freitag die Schweizer Bundeskanzlei, die das Projekt verantwortet. Das System und sein Betrieb wurden seither in verschiedenen Schritten durch unabhängige Experten aus Wissenschaft und Industrie sowie von der Öffentlichkeit – in einem weiterhin laufenden Bug-Bounty-Programm und in öffentlichen Intrusionstests – überprüft und von der Post verbessert.

Die Prüfberichte der von der Bundeskanzlei in Auftrag gegebenen unabhängigen Überprüfung wurden ebenfalls am Freitag publiziert. Der Quellcode des E-Voting-Systems der Post und die Dokumentation sind seit 2021 veröffentlicht. Voraussichtlich erstmals zum Einsatz kommt das neue E-Voting-System in den drei Kantonen bei den Volksabstimmungen am 18. Juni 2023. Die Grundbewilligungen gelten für ein limitiertes Elektorat bis und mit der Abstimmung vom 18. Mai 2025, erklärte die Bundeskanzlei.

E-Voting wird besonders von Schweizern, die im Ausland leben ("Auslandsschweizer") und doch in ihrem Heimatland abstimmen wollen, immer wieder gefordert. Es gebe unter den Auslandsschweizern ein großes Bedürfnis nach E-Voting, unterstrich Barbara Schüpbach-Guggenbühl, Staatsschreiberin des Kantons Basel-Stadt am Freitag in einer Pressekonferenz. Benutzen können das neue E-Voting-System daher zunächst einmal die auslandsschweizer Stimmberechtigten in den drei Kantonen. In St. Gallen sollen zusätzlich eine begrenzte Anzahl an Inlandsschweizern E-Voting nutzen können, sofern ihre Gemeinde dies anbietet. In Basel-Stadt sollen sich außerdem Inlandsschweizer mit einer Behinderung für eine elektronische Stimmabgabe anmelden können.

Für den ersten Urnengang beantragten die Kantone die Zulassung von rund 65.000 Stimmberechtigten, was rund 1,2 Prozent aller Stimmberechtigten entspricht. "Der Bundesrat hält die Risiken bei einem derart kleinen Elektorat für vertretbar", sagte Bundeskanzler Walter Thurnherr am Freitag laut Medienberichten. Fehler und Manipulationen am System ließen sich nie ganz ausschließen. Die Hürden seien aber hoch.

"Wenn der Versuch bei den Abstimmungen vom kommenden Juni erfolgreich läuft, beabsichtigen die drei Kantone den Einsatz auch bei den Wahlen", sagte Schüpbach-Guggenbühl. Die Schweizer Parlamentswahlen sollen am 22. Oktober 2023 stattfinden. Für einen Einsatz bei den nationalen Wahlen brauchen die drei Kantone separate neue Bewilligungen des Bundesrates – die sie wohl erhalten dürften, sollte bis dahin alles gut gelaufen sein.

(tiw)