Schweizer Bank UBS nimmt Le Corbusier aus ihrer Imagekampagne

Gründe sind Antisemitismusvorwürfe und das Verhältnis des Architekten zum Vichy-Regime

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Charles-Édouard Jeanneret-Gris alias "Le Corbusier" zählt neben Frank Lloyd Wright, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Von ihm stammen unter anderem die Obdachlosenunterkunft der Heilsarmee in der Pariser Rue Cantagel, die Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp, das Museum für westliche Kunst in Tokio und einflussreiche theoretischen Schriften.

Bis vor kurzen zierte der Kopf des im Kanton Neuchâtel geborenen Uhrenemaillierssohn nicht nur den 10-Franken-Schein, sondern auch die Website der Schweizer Bank UBS, die mit seinem Portrait für sich warb. In dieser Woche verschwand Le Corbusier allerdings von dort, was die Bank damit begründet, dass sie nicht in die aktuelle "Kontroverse" hineingezogen werden möchte.

Diese dreht sich allerdings mindestens genauso sehr um die UBS wie um den Architekten und geht unter anderem auf Yves Kugelmann zurück, der angemerkt hatte, wie "dumm" es sei, wenn eine Kampagne zur Aufarbeitung der Vergangenheit mit einer Figur wirbt, die eine "Affinität zu einem totalitären Regime" hatte. Er, so Kugelmann, hätte nach den Enthüllungen um die Rolle der UBS im Zweiten Weltkrieg eine "größere Sensibilität im Umgang mit der jüngeren Geschichte" erwartet.

Le Corbusier hatte sich nämlich 18 Monate lang der Vichy-Regierung angedient, war dabei aber auf so wenig Gegenliebe gestoßen, dass er im Juli 1942 enttäuscht schrieb: "Adieu, liebes beschissenes Vichy! Ich schüttle den Staub von meinen Stiefeln bis zum letzten Körnchen". Hintergrund der Debatte sind darüber hinaus antisemitische Äußerungen im 2002 teilveröffentlichten Briefnachlass des Architekten, die zum Teil auf geschäftliche Streitigkeiten mit Auftraggebern zurückzugehen scheinen.

Der Briefverkehr Le Corbusiers zeigt aber auch, dass er enge Freundschaften mit Juden pflegte und politische Präferenzen, sofern er sie hatte, stets den Möglichkeiten zur Verwirklichung seiner Pläne unterordnete, was ihn dazu brachte, sich sowohl bei amerikanischen Tycoons als auch im faschistischen Italien, in der Sowjetunion und in eher autoritär geführten Drittweltländern um Aufträge zu bemühen. Ein Verhalten, das insofern sehr gut zu Schweizer Banken passt, als diese ebenfalls wenig Berührungsängste hatten und eventuelle moralische Kriterien ignorierten oder hintanstellten.

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10-Franken-Banknote