Schweizer Bundesverwaltung stoppt IT-Großprojekt von Unisys

Eigentlich sollte Unisys die IT-Lösung der Eidgenössischen Steuerverwaltung erneuern. Doch dann stellten die Behörden fest, dass die Leistungen nicht mehr "den heutigen Anforderungen und den auf dem Markt verfügbaren Lösungsmöglichkeiten" entsprechen.

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Von
  • Tom Sperlich

Bei einem der größten IT-Projekte der Schweizer Bundesverwaltung ist jetzt der Stecker gezogen worden. Laut einer Veröffentlichung im Schweizer Handelsamtsblatt (SHAB 166) am heutigen Mittwoch widerrief das Eidgenössische Finanzdepartment (EFD) die Auftragsvergabe an die Schweizer Niederlassung des US-Konzerns Unisys. Im Rahmen des Projekts "Insieme" soll die IT-Lösung der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) innerhalb des Finanzdepartments vollständig erneuert werden.

Mit dem Projekt will das EFD nach eigenen Angaben gewährleisten, dass "künftige Bedürfnisse bezüglich E-Government auch im Steuerwesen" abgedeckt sind und "dem Bedürfnis der Steuerzahlenden nach einem einfachen und transparenten elektronischen Direktzugriff" auf die Steuerdossiers Rechnung getragen wird. Dazu sollen auch die Abläufe grundlegend überarbeitet und die Organisation angepasst werden. Die Ausschreibung erfolgte bereits im April 2005, Gelder wurden im Dezember 2005 vom Parlament genehmigt und die Auftragserteilung an die Unisys Schweiz AG erfolgte im März 2006.

Einem Bericht des Schweizer IT-Magazins Netzwoche zufolge haben sich Bundesverwaltung und Unisys jedoch "bei der Aushandlung des Werkvertrags nicht gefunden", was von einem Sprecher des EFD bestätigt wurde. Heute kam nun das endgültige Aus und die offizielle Begründung. Das SHAB schreibt, dass der Widerruf beschlossen wurde, da der Zuschlag bereits vor 16 Monaten erfolgt sei, "ohne dass in der Zwischenzeit ein alle Leistungsbestandteile umfassender Beschaffungsvertrag, der die Sicherheitsinteressen des Bundes angemessen berücksichtigt, abgeschlossen werden konnte".

Da seit der Ausschreibung mehr als zwei Jahre vergangen seien, entsprächen die damals ausgeschriebenen Leistungen auch nicht mehr in allen Teilen "den heutigen Anforderungen und den auf dem Markt verfügbaren Lösungsmöglichkeiten". Das Vorhaben könne daher in der ausgeschriebenen Form nicht verwirklicht werden. Das Ausschreibungsverfahren wird abgebrochen, teilte das zuständige Ressort Einkauf Bürotechnik/Informatik im Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) mit. Man beabsichtige "den Leistungsgegenstand nach Rücksprache mit der Fachabteilung neu zu definieren und auszuschreiben".

Das genaue Auftragsvolumen für das Projekt "Insieme" wurde nicht bekannt gegeben. Nach Angaben des Projektleiters im Finanzdepartement lagen die damaligen Angebote in der Ausschreibung, an der sich mehrere Unternehmen beteiligt hatten, zwischen 26 Millionen Franken (15,9 Millionen Euro) und 99 Millionen Franken (60,5 Millionen Euro). Weitere Informationen gibt es aus dem Finanzdepartement nicht. Aufgrund des nun laufenden Verfahrens sei es nicht zulässig, dass sich die Bundesverwaltung zu solchen Fragen äußere. Auch bei Unisys will man "das laufende Verfahren nicht kommentieren". Dem Unternehmen steht das Beschwerderecht beim Bundesverwaltungsgericht in Bern zu. (Tom Sperlich) / (pmz)