Scoring beim Online-Shopping: Verbraucherrecht wird nicht immer eingehalten

Wer online einkauft, dessen Bonität wird geprüft. Das Bundeskartellamt hat die beteiligten Händler, Zahlungsdienstleister und Auskunfteien angeschaut.

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Zwei Menschen sitzen vor einem Notebook

Rein statistisch handelt es sich um zwei Menschen mit guter Bonität, wobei eine noch mehr hat als der andere.

(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

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Online-Händler, Zahlungsdienstleister und Auskunfteien halten die geltenden Vorgaben des Verbraucherrechts nicht immer ein. Das ist ein Ergebnis der Sektoruntersuchung "Scoring beim Online-Shopping", die das Bundeskartellamt vor zwei Jahren begonnen hatte. Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Bonitätsprüfungen sieht es Hinweise auf Verstöße gegen das Datenschutz- bzw. Lauterkeitsrecht bei der Transparenz und der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung.

Dabei sieht das Kartellamt das Scoring an sich als ökonomisch sinnvoll an. "Eine möglichst korrekte Prognose der Zahlungswahrscheinlichkeit liegt nicht nur im Interesse der Online-Händler und Zahlungsdienstleister", heißt es in dem Bericht zur Sektoruntersuchung. Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten profitieren, wenn Zahlungsausfälle begrenzt werden, das wirke sich letztlich günstig auf das Preisniveau aus.

Allerdings seien die Bonitätsprüfungen oft nicht transparent. Informationen darüber würden häufig gar nicht erteilt oder stünden nur schwer erkennbar in den AGB. Mitunter würden die Kunden erst nach der Bonitätsprüfung informiert, sodass sie diese nicht verhindern könnten.

Auch werde oft nicht der Grundsatz der Datenminimierung eingehalten, wenn Online-Händler, Zahlungsdienstleister und Wirtschaftsauskunfteien zahlreiche Kundendaten untereinander austauschen und verarbeiten. Bei den Bonitätsprüfungen würden häufig nicht nur das frühere Zahlungsverhalten, sondern auch die Anschrift, das Alter oder auch Informationen wie die Häufigkeit von Umzügen oder die Uhrzeit der Bestellung einbezogen. "Nach den Ermittlungsergebnissen ist jedenfalls die Notwendigkeit der Verarbeitung bestimmter Daten in einigen Fällen fraglich", resümiert das Bundeskartellamt.

Die Bundesregierung sehe in ihrer Reform des Bundesdatenschutzgesetzes vor, die Verarbeitung von Anschriftendaten zu untersagen, um Privatpersonen davor zu schützen, allein wegen ihres Wohnumfeldes einen schlechteren Score-Wert zu erhalten, schreiben die Kartellwächter. Sie meinen, in der Diskussion über erlaubte oder nicht erlaubte Kriterien für das Scoring sollten auch die jeweiligen Folgen für die Prognosegenauigkeit und die damit einhergehenden Auswirkungen für die Verbraucher und die betroffenen Unternehmen abgewogen werden.

Für ihre Sektoruntersuchung hat das Bundeskartellamt 45 Online-Händler wie Amazon, adidas.de, ikea.de oder thalia.de befragt, hinzu kommen die Auskunfteien Creditreform Boniversum, CRIF, Infoscore und Schufa. Hinzu kommen die acht Zahlungsdienstleister Abilita, Verifone, Klarna, Paypal, Ratepay, Riverty, Secupay und Unzer. Die Online-Händler setzten zusammen 2021 rund 56 Milliarden Euro über das Internet mit Privatverbrauchern um. Der gesamte Umsatz in diesem Bereich betrug 2021 in Deutschland 80 Milliarden Euro.

Von den 45 Online‐Händlern haben 19 laut dem Bericht angegeben, Bonitätsprüfungen vorzunehmen, 2021 waren es insgesamt gut 66 Millionen. Manche Händler prüfen die Bonität ausschließlich selbst, manche berücksichtigen immer auch externe Score‐Werte von Wirtschaftsauskunfteien und manche Händler praktizieren – vermutlich je nach Kunde und Bestellung – beide Varianten. Die acht Zahlungsdienstleister haben 2021 rund 350 Millionen (eigene) Bonitätsprüfungen für Endkunden in Deutschland durchgeführt. 30 Prozent davon haben die Zahlungsdienstleister selbst vorgenommen, während in gut 70 Prozent der Fälle auch die Score‐Werte von Wirtschaftsauskunfteien berücksichtigt wurden. Die vier Auskunfteien haben für ihre zehn wichtigsten Online‐Händler im Jahr 2021 rund 85 Millionen Score‐Werte erstellt.

Für das Scoring nutzen die Unternehmen die bei ihnen selbst anfallenden Daten, solche aus öffentlichen Verzeichnissen oder amtlichen Bekanntmachungen sowie Daten von dritten Unternehmen wie Kreditinstituten oder Energieversorgern. Hinzu kommen spezialisierte Datenlieferanten und ‐analysten wie die Microm Micromarketing‐Systeme und Consult GmbH. Im Rahmen des Scorings tauschen Auskunfteien, Online-Händler und Zahlungsdienstleister ihre jeweils erfassten personenbezogenen Daten teilweise auch miteinander aus und können so die eigenen Datensätze ergänzen.

Auskunfteien bewerten verschiedene Daten von Personen, nicht nur, was ihre finanziellen Bedingungen angeht, sondern auch zum Wohnumfeld oder andere persönliche Merkmale. Es ist etwa fürs Scoring umso besser, wenn die betreffende Person älter ist, weiblich ist besser als männlich, heißt es in dem Bericht des Bundeskartellamts. Je häufiger und kürzer zurückliegend ein Adresswechsel eines Verbrauchers, desto schlechter ist es für sein Scoring.

(anw)