Sechs Monate Atempause für amerikanische Internet-Radios
Ein sechsmonatiges Moratorium soll den von hohen Geldforderungen bedrohten amerikanischen Internet-Radios helfen, ihre finanziellen Angelegenheiten neu zu regeln.
Ein sechsmonatiges Moratorium soll den von hohen Geldforderungen bedrohten amerikanischen Internet-Radios helfen, ihre finanziellen Angelegenheiten neu zu regeln. Darüber will am heutigen Dienstag der amerikanische Kongress entscheiden. Die Internet-Radios hätten damit die Möglichkeit, die Geldforderungen der Plattenindustrie neu zu verhandeln oder gerichtlich zu klären, sagte der Kongressabgeordnete James Sensenbrenner aus Wisconsin, gleichzeitig Vorsitzender des House Judiciary Committee. Er hatte bereits vor einigen Tagen dem Kongress die Suspendierung des Termins für die so genannten "CARP royality payments" vorgeschlagen.
Zurzeit sollen die Internet-Radios zusätzlich zu den Abgaben an Verwertungsgesellschaften wie ASCAP, BMI und SESAC auf Grund des Digital Millennium Copyright Act (DMCA) jeweils 0,07 US-Cent pro Hörer pro Musikstück an die amerikanische Plattenindustrie zahlen, rückwirkend bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des umstrittenen Gesetzes. James H. Billington, Leiter der Library of Congress, bestätigte am 20. Juni die Gebührenpflicht für die Musiksendungen der Internet-Radios grundsätzlich und stimmte insofern der Schiedsstelle (Copyright Arbitration Royalty Panel, CARP) auch zu. Aber er halbierte immerhin die vom CARP vorgeschlagenen Gebührenforderungen und kam damit den finanziell bedrängten Internet-Radios etwas entgegen.
Mit dieser Entscheidung ist dennoch niemand zufrieden. Der amerikanischen Plattenindustrie ist der Betrag viel zu gering, und die Webcaster sehen sich immer noch vor dem Ruin. Sie favorisieren stattdessen ein Geschäftsmodell, das die "royality payments" von den eigenen Einkünften abhängig macht und ihnen so das wirtschaftliche Überleben sichert. Einige Unterstützung fanden die Webcaster seitdem unter Abgeordneten des amerikanischen Kongresses. So sorgten sich Mitte März zwanzig US-Parlamentarier, dass die Entscheidung der Schlichtungsstelle CARP sowohl den Intentionen des DMCA als auch der Politik des Kongresses widerspräche, Innovationen im Internet nicht zu behindern.
Ende Juli dann der zweite Vorstoß: Die US-Abgeordneten Rick Boucher aus Virginia und Jay Inslee aus Washington traten mit ihrem Vorschlag für den Internet Radio Fairness Act an den Kongress heran. Ihr Gesetzesentwurf sieht vor, dass bei zukünftigen Verhandlungen über Lizenzgebühren nicht nur rein marktwirtschaftliche Gesichtspunkte, sondern auch Fairness eine Rolle spielen soll, da kleinere Firmen schwerer an den Gebühren zu tragen hätten als große Unternehmen. Die beiden Abgeordneten möchten jetzt per Gesetz erreichen, dass Webcaster mit jährlichen Umsätzen von weniger als sechs Millionen Dollar von Lizenzzahlungen an die Plattenindustrie grundsätzlich befreit sind. Die amerikanische Plattenindustrie bemängelte diesen Vorschlag erwartungsgemäß als fehlgeleitet und gründete mit Soundexchange inzwischen eine eigene Gesellschaft zum Eintreiben der geforderten Sendegebühren.
Unterschiedliche Reaktionen finden sich indes auf Seiten der Webcaster. Auf den Webseiten vom Radio and Internet Newsletter RAIN findet sich seit längerem eine Liste von inzwischen weit über hundert Radios und Senderketten, die nicht mehr im Internet zu hören sind, weil ihnen die geforderten Gebühren zu hoch sind. Anderen Internet-Radios wie zum Beispiel dem kalifornischen Radio Paradise und dem Techno-Sender "Digitally Imported Radio" aus New York ist das finanzielle Risiko noch nicht zu hoch. Diese Stationen senden deshalb immer noch und fordern ihre Hörer gleichzeitig dazu auf, ihre Kongressabgeordneten telefonisch oder per Fax auf die Seite der finanziell bedrohten Webcaster zu ziehen. Das Tauziehen geht also weiter. (Holger Bruns) / (jk)