Seehofer: Null Toleranz beim Kampf gegen rechte Straftaten im Internet

"Das Internet ist keine freie Spielwiese": Der Innenminister sieht in der Provider-Meldepflicht rechtsextremer Delikte im Netz einen entscheidenden Durchbruch.

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Seehofer: Null Toleranz beim Kampf gegen rechte Straftaten im Internet
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Als "entscheidenden Durchbruch" in der deutschen Sicherheitspolitik hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die politische Einigung innerhalb der großen Koalition und mit den Ressortkollegen der Länder bezeichnet, "dass es bei der Bekämpfung von Straftaten im Internet Null Toleranz gibt". Der CSU-Politiker bezog sich damit insbesondere auf ein verschärftes Vorgehen gegen Rechtsextremismus und -terrorismus im Netz und die geplante Provider-Meldepflicht für einschlägige Delikte an das Bundeskriminalamt (BKA). Seehofer unterstrich: "Das Internet ist keine freie Spielwiese."

Er stehe "uneingeschränkt dafür", solche Taten strafrechtlich zu verfolgen, betonte Seehofer. "Deshalb brauchen wir die IP-Adresse." Der Minister zeigte sich "sehr sicher", dass der Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) "zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität" sehr, sehr zügig durch das Bundeskabinett, den Bundestag und den Bundesrat gehen werde. Zur darin skizzierten, besonders umstrittenen Pflicht für Telemedienanbieter wie WhatsApp, Google oder Facebook zur Herausgabe von Passwörtern äußerte er sich nicht.

BKA-Chef Holger Münch sprach angesichts der sich abzeichnenden Meldepflicht von einem "ganz neuen Ansatz gegen digitale Kriminalität" angesichts eines "Klimas der Angst" durch Online-Bedrohungen. Die erfassten Anbieter müssten künftig Hinweise auf rechtsextremistische Delikte nicht nur prüfen und löschen, sondern die IP-Adresse des Nutzers nebst Port an eine "zu bildende Zentralstelle" bei der Wiesbadener Behörde ausleiten. Das Konzept dafür solle 2020 stehen und eine Pilotphase "mit überschaubarem Tatbestandskatalog" beginnen.

Thomas Haldenwang, Präsident des Verfassungsschutzes, BKA-Chef Holger Münch und Bundesinnenminister Horst Seehofer (v.n.l.r.)

(Bild: heise online / Stefan Krempl)

Der Ermittler warnte aber vor zu großen Erwartungen schon am Anfang, da das BKA die Prozesse abstimmen müsse mit der Justiz, den Ländern, bestehenden Hotlines und den Verpflichteten. Auch ein "vernünftiges IT-Konzept" sei nötig, sodass es "nicht von Null auf Hundert" gehen werde. Es gebe aber schon Erfahrungen aus dem Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs. Dort gebe es allein 70.000 Verdachtsmeldungen pro Jahr aus Amerika, die das BKA zusammen mit einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft durchgehe und in "Päckchen" in der Größe von 20.000 Eingaben weiterverarbeite. So erfolge dann eine Identifizierung über die IP-Adresse und weitere Bestandsdaten und die Ergebnisse gingen dann an einzelne Bundesländer.

Die Zahlen im Bereich Rechtsextremismus seien "deutlich größer als im Bereich Kinderpornografie", gab Münch zu bedenken. Das BKA werde daher 2020 anfangen "mit technischen Elementen und Prozessen", es könne aber nicht auf einen Schlag eine sechststellige Summen an Hinweisen abarbeiten.

Optimistisch zeigte sich der Behördenleiter angesichts der bisherigen Gespräche insbesondere mit Facebook und Google, dass die Anbieter die Daten herausrücken, "die wir brauchen". Parallel werde das BKA seine Gefährderanalyse mit dem Precrime-Programm Radar-iTE mithilfe wissenschaftlicher Unterstützung aus dem islamistischen auf den rechtsextremen Bereich übertragen. Dafür nötig seien Biografien von Tätern in ausreichender Anzahl. Von den Ländern hole die Behörde dazu Informationen über Personen aus dem Spektrum ein, über die man sich "heute schon kümmern" müsse.

Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) werde deutlich stärker den im rechtsextremen Sektor den virtuellen Nährboden und darauf aufbauende Netzwerke bearbeiten, die sich "möglicherweise auch im öffentlichen Dienst" bildeten, kündigte dessen Präsident Thomas Haldenwang an. "Wir müssen uns deutlich breiter aufstellen", kündigte er einen ganzheitlichen Ansatz gegen alte und neue Rechte an, wobei er zu letzteren auch den "Flügel" der AfD zählte. Bei insgesamt 4,7 Millionen Staatsdienern gebe es mit rechtsextremen Fällen etwa bei der Polizei in Frankfurt, einem Sondereinsatzkommando in Mecklenburg-Vorpommern oder bei der Bundeswehr mittlerweile "zu viele Einzelfälle".

Schon im Juli habe der Staatsschutz eine neue Organisationseinheit für die "explorative Aufklärung von Internetplattformen" eingerichtet, berichtete der Jurist. Nun gelte es weiter zu priorisieren, wie das BfV bei der "roten Karte" gegen Rechtsextremismus nach dem Vorbild des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums mit Schwerpunkt Islamismus mit anderen Sicherheitsbehörden von Bund und Länder zusammenarbeiten könne.

Seehofer bezeichnete den Kampf gegen Rechtsextremismus allgemein als "ganz große Aufgabe", die "schon früher mit dieser politischen Priorität" hätte versehen werden müssen. Er zog eine große Linie von den Terroranschlägen des NSU über den Amoklauf in München, den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Bluttat in Halle bis hin zu "vielen anderen Dingen". Daher sei es wichtig, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags BKA und das BfV jeweils 300 zusätzliche Stellen für diesen Bereich zuerkannt habe.

Der Staat müsse auch den öffentlichen Dienst besonders im Blick haben bei der Aufklärung des Dunkelfelds, betonte der Minister. Bei der Bundespolizei mit ihren 48.000 Beamten habe es aber nur in 57 Fällen Verfahren gegen Rechtextremismus gegeben: "Wir können von Einzelfällen sprechen", zeigte sich der Christsoziale erleichtert. Der öffentliche Dienst und die Polizei seien "auf ein besonderes Vertrauensverhältnis mit der Bevölkerung angewiesen". (jk)