Sekunde statt Stunde: KI lokalisiert verschmelzende Neutronensterne schneller
Verschmelzende Neutronensterne verraten sich durch Gravitationswellen. Für die Beobachtung der Kilonova bleibt aber nicht viel Zeit. Helfen könnte bald eine KI.
KĂĽnstlerische Darstellung der Verschmelzung zweier Neutronensterne
(Bild: MPI for Intelligent Systems / A. Posada)
Ein Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme hat eine KI-basierte Methode entwickelt, die auf Basis der Gravitationswellen viel schneller und präziser bestimmen kann, wo am Himmel Signale einer Verschmelzung zweier Neutronensterne zu finden sein dürften. Während für die Charakterisierung solch einer Kollision auf Basis der Gravitationswellen bisher im schnellsten Fall eine Stunde benötigt wird, dauere das mit der neuen Technik nur rund eine Sekunde. Diese Beschleunigung könnte entscheidend sein, um Teleskope und Observatorien künftig schnell auf die jeweilige Himmelsregion auszurichten und solch einen Vorgang häufiger direkt beobachten zu können. Bisher braucht es dafür Glück.
Der "heilige Gral"
Wie die Max-Planck-Gesellschaft jetzt in Erinnerung ruft, haben nur Schwarze Löcher eine höhere Massedichte als Neutronensterne. Aber während eine Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher lediglich Gravitationswellen aussendet, wird ein solcher Vorgang bei Neutronensternen auch von einem extremen Lichtblitz fast im gesamten elektromagnetischen Spektrum begleitet. Ziel sei es, die Quelle ausfindig zu machen, bevor der Lichtblitz auf der Erde auszumachen ist. Je nachdem, wie weit entfernt von uns die Verschmelzung stattfindet, bleibt dafür aber nicht viel Zeit. Aktuelle Gravitationswellendetektoren liefern demnach meist nur eine Vorwarnzeit von wenigen Minuten. Dank der neuen KI-Methode könnte das schon ausreichen.
"Eine schnelle und genaue Analyse der Gravitationswellen-Daten ist entscheidend, um die Quelle zu lokalisieren und Teleskope so schnell wie möglich auszurichten und alle zugehörigen Begleitsignale zu beobachten", erklärt Studienleiter Maximilian Dax. Die neue Methode könnte dem Team zufolge eines Tages dabei helfen, elektromagnetische Signale zu beobachten, die vor und während der Verschmelzung zweier Neutronensterne entstanden sind. Das könnte neue Einblicke in den Verschmelzungsprozess ermöglichen und Antworten auf bislang ungelöste Fragen liefern. Gleichzeitig könnte die teure Beobachtungszeit dadurch effizienter genutzt werden.
Der auf Dingo-BNS ("Deep Inference for Gravitational-wave Observations from Binary Neutron Stars") getaufte Algorithmus könnte damit zu einem zentralen Baustein der sogenannten Multimessenger-Astronomie werden. So wird die Erforschung des Universums mit Detektoren für komplett unterschiedliche Signale bezeichnet, die teilweise erst seit wenigen Jahren überhaupt einsatzfähig sind. Die Kilonovae, die bei der Verschmelzung von Neutronensternen entstehen, gelten als "heiliger Gral der Multi-Messenger Astronomie", schreibt die Max-Planck-Gesellschaft – dabei entstehen etwa viele Elemente. Der Algorithmus zur Lokalisierung in Echtzeit wird im Wissenschaftsmagazin Nature vorgestellt.
(mho)