Sicherheitsforscher wollen Community bilden

Weil die Grenzen zwischen terroristischen und militärischen Bedrohungen immer mehr verschwimmen, muss sich die Sicherheitsforschung ähnlich aufstellen. Zivile und militärische Forschung fließen immer stärker zusammen, man redet vom Dual Use.

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Von
  • Detlef Borchers

Weil die Grenzen zwischen terroristischen und militärischen Bedrohungen immer mehr verschwimmen, muss sich die Sicherheitsforschung ähnlich aufstellen. Zivile und militärische Forschung fließen immer stärker zusammen, man redet vom Dual Use. Dennoch laufen beide Bereiche häufig nebeneinander her, gibt es sehr wenig systematische Sicherheitsforschung. Die wissenschaftliche Systematisierung des Themas Sicherheit muss angegangen werden, eine Community aus Bedarfsträgern, Forschungsinstituten und Industrieunternehmen muss sich formieren und die Sicherheitsinteressen. Unter dieser Fragestellung hat in Karlsruhe die zweite Sicherheitskonferenz Future Security begonnen, die bis zum kommenden Freitag mit 66 Vorträgen und etlichen Poster-Sessions das Thema Sicherheit von allen Seiten beleuchten will. Schwerpunktthema ist diesmal die Sicherheit der kritischen Infrastrukturen.

"Wir Sicherheitsexperten stehen erst am Anfang einer mentalen Vernetzung", erklärte Christian Schmidt, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, zu Beginn der Konferenz. Vom Bundesforschungsministerium (BMBF) als Schirmherr der Konferenz skizzierte Ministerialdirektor Wolf-Dieter Lukas die Lage: "Wir müssen alle Gemeinsamkeiten realisieren. Die Bedrohungslage hat sich seit der letzten Konferenz nicht verändert, aber die Bedrohung ist näher gekommen, wie die Festnahme von drei Verdächtigen zeigt, die chemische Bomben bauen wollten. Es ist an der Zeit, dass sich Forschungsprogramme der Realität stellen müssen." Passend zur Konferenz eröffnet sein Ministerium das Internet-Portal Security Research, in dem sich alle Akteure der Sicherheitsforschung zwecks engerer zivil/militärischer Kooperation mit ihren Profilen darstellen sollen.

Sicherheitsforschung ist zumindest ein sicherer Markt. Allein in Deutschland hat der Markt für Sicherheitstechnik nach Angaben der Veranstalter ein Volumen von 10 Milliarden Euro, mit jährlichen Wachstumsraten von 7 bis 8 Prozent. Treibende Kraft der Forschungsanstrengungen sind 1,4 Milliarden Euro, die im Rahmen des 7. Forschungsprogrammes der Europäischen Union zum Thema Sicherheit ausgegeben werden sollen. Wie Klaus Thoma, Vorsitzender des Fraunhofer-Verbunds für Verteidigungs- und Sicherheitsforschung erzählte, sollen etwa 325 Forschungsanträge eingereicht worden sein. Auch das mit insgesamt 123 Millionen Euro ausgestattete Sicherheitsforschungsprogramm des BMBF hat offenbar gezündet. Nach Auskunft von Wolf-Dieter Lukas, der beim BMBF die Abteilung Schlüsseltechnologien leitet, kommen zwei Projekte in den Genuss einer Förderung mit insgesamt 50 Millionen Euro. Eine Verbundforschung zur Verbesserung der Flughafensicherheit und die Entwicklung eines Testverfahrens zur frühzeitigen Erkennung gesundheitsbedrohender Stoffe im Trinkwasser sollen die glücklichen Gewinner sein.

Eine ähnliche Summe wird in den Niederlanden ausgegeben, erklärte der für Landessicherheit zuständige Ministerialdirektor Dick Schoof vom niederländischen Innenministerium. Zivil-militärische Forschungskooperation bestehen im Bereich der Pandämieforschung, beim Klimawandel und bei Forschungsvorhaben zur Evakuierung größerer Gebiete. Derzeit fließen die Forschungsgelder beim westlichen Nachbarn vor allem in die Entwicklung von Sensoren und intelligenten Kameras, in die Verbesserung von Gesichtserkennungssystemen und die automatische Videoüberwachung abweichender Verhaltensmuster in öffentlichen Räumen. Aus der Sicht von Starnes Walker, Forschungsleiter beim US-amerikanischen Department for Homeland Security, sind die in Europa bewegten Beträge freilich Erdnüsschen. Seine Behörde kann im Rahmen des HSARPA-Programmes über 16 Milliarden US-Dollar im Jahr verfügen und betreibt 25 Forschungslabors. Wichtige aktuelle Projekte, die auch in die Wirtschaft ausstrahlen, sind z. B. die Entwicklung von unbemannten Flugkörpern, die Tunnelsysteme erkennen können.

Doch die Summen, mit denen die Sicherheitsforscher in Karlsruhe ihre Präsentationen ausschmückten, sind nur eine Seite der Medaille. "Wie viel ist uns Sicherheit eigentlich wert?", fragte Wolf-Dieter Lukas in der abschließenden Podiumsdiskussion zum ersten Konferenzteil. Er verwies auf Fälle, in denen viel Geld in die Forschung geflossen ist, entsprechende Sicherheitstechnologien aber aus Kostengründen nicht zum Einsatz kamen. Der endlose Streit um die Einführung des digitalen BOS-Funks sei ein unrühmliches Beispiel, wie Finanzierungsfragen die Verbesserung der öffentlichen Sicherheit überlagern können. Solange dürfe es nicht noch einmal dauern, wenn neue Sicherheitstechnik eingeführt wird. (Detlef Borchers) / (jk)