Siemens soll zum "grünen Infrastruktur-Pionier" werden

Mit 128.000 Beschäftigten ist Siemens in Deutschland einer der größten Arbeitgeber. Eher mit Neueinstellungen als mit Entlassungen rechnet der Siemens-Chef durch Konzentration auf vier Geschäftsfelder und die Bildung der Sparte "Infastructure & Cities".

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Von
  • dpa

Der erneute Konzernumbau bei Siemens soll nach Aussagen von Vorstandschef Peter Löscher nicht zu Stellenabbau führen. "Eher das Umgekehrte wird der Fall sein", so Löscher. Die stärkere Fokussierung der künftig vier Geschäftsfelder werde allerdings für "einzelne Mitarbeiter" zu Veränderungen innerhalb des Konzerns führen. Wie viele Stellen von dem Umbau genau betroffen sein werden, sagte Löscher nicht.

Siemens hatte nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung angekündigt, einen neuen Sektor namens "Infrastructure & Cities" für Infrastrukturlösungen in den weltweit stark wachsenden Städten aufzubauen. In dem neuen Geschäftsfeld sollen künftig 81.000 Mitarbeiter einen Umsatz von 16,5 Milliarden Euro erreichen, wie Löscher sagte. Im Zuge der Umstrukturierung wird die Lichttochter Osram im Herbst 2011 an die Börse gebracht.

Nicht nur in Megastädten wie Singapur will Siemens mit intelligente Lösungen für U-Bahnen, leistungsfähigere Stromnetze oder Gebäudetechnik Geschäfte machen.

(Bild: Siemens)

"Wir setzen unseren Schwerpunkt auf den Ausbau technologie-basierter Dienstleistungen", sagte Löscher. Das Ziel sei, den jährlichen Umsatz des Unternehmens auf 100 Milliarden Euro zu erhöhen. Siemens schätzt die Ausgaben für Infrastrukturmaßnahmen in den Städten, die der Konzern anbieten kann, auf weltweit 300 Milliarden Euro im Jahr. Mehr als 100 Milliarden würden 2015 im öffentlichen Sektor ausgegeben, sagte Löscher. Der Konzern will insbesondere Lösungen für effiziente Stromnetze, Transportmöglichkeiten, Gebäudetechnik, Wasserversorgung und Abfallentsorgung anbieten.

Mit 128.000 Beschäftigten ist der Siemens-Konzern in Deutschland einer der größten Arbeitgeber. Weltweit zählt der Konzern, der zuletzt knapp 76 Milliarden Euro Umsatz erreichte, 405.000 Mitarbeiter. Millionen Menschen bringen mit dem Firmennamen ein Produkt oder eine Dienstleistungen in Verbindung. Kein Wunder: Seit Werner von Siemens und sein Kompagnon Johann Georg Halske 1847 in einem Berliner Hinterhof mit der Fertigung von Zeigertelegrafen den Grundstein für den Weltkonzern legten, verbreiterte sich die Produktpalette enorm – vom Elektroherd bis zum ICE.

Die große Bandbreite kostete den Siemens aber auch immer wieder Kräfte. Heinrich von Pierer, der vor knapp zwei Jahrzehnten den Vorstandsvorsitz übernahm, leitete deshalb mit einem 10-Punkte-Programm einen massiven Umbau ein. Unter anderem wurde das Geschäft mit Bauelementen (Epcos) und die Halbleitersparte abgespalten, die 2000 in den Börsengang von Infineon mündete. Als Pierer 2005 in den Aufsichtsrat wechselte, gab sein Nachfolger Klaus Kleinfeld auch noch die Handysparte ab und brachte das traditionsreiche Festnetzgeschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Nokia ein.

Von Pierer und Kleinfeld stürzten 2007 über den Schmiergeldskandal. Rund 1,3 Milliarden Euro waren über Jahre in dunklen Kanälen verschwunden und vermutlich zum größten Teil im Ausland eingesetzt worden, um die Auftragsvergabe zu beeinflussen. Der neue Vorstandschef Peter Löscher verschlankte daraufhin die Führungsstruktur und stellte den Konzern auf drei Standbeine: Industrie, Energie und Medizintechnik. Von Kleinfeld übernahm er die Überzeugung, dass Siemens sein Geld künftig mit sogenannten Megatrends wie Wasser- und Energieknappheit, Alterung der Gesellschaft und der Urbanisierung verdienen wird.

2011 startet Löscher nun einen Umbau mit der Bildung eines vierten Sektors zur Entwicklung von Infrastrukturlösungen für Großstädte: Siemens soll zum "grünen Infrastruktur-Pionier" werden. Schon 2014 soll der Umsatz mit Umwelttechnologien 40 Milliarden Euro betragen nach 28 Milliarden 2010. Der Konzentration auf intelligente Lösungen für Millionenstädte wie U-Bahnen, leistungsfähigere Stromnetze oder Gebäudetechnik müssen andere Konzernbereiche weichen. Den kriselnden IT-Dienstleister SIS verkaufte Löscher nach Frankreich, die profitable Lichttochter Osram soll an die Börse. Auch Atomtechnik steht nach der Katastrophe in Japan nicht mehr auf Löschers Wunschliste. (jk)