Smarte Grenzkontrolle: KI-System erkennt Anomalien in Ausweispapieren

Im Rahmen des EU-Projekts D4FLY entstanden mehrere Systeme, die Grenzübertritte vereinfachen sollen. Dazu gehören biometrische Korridore zur Identitätsprüfung.

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(Bild: Robert Kneschke/Shutterstock.com)

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In der EU arbeiten Forscher und Entwickler aus Unternehmen weiter daran, mithilfe technischer Systeme Grenzkontrollen zu beschleunigen und reibungslose Grenzübertritte zu ermöglichen. Die nötige Sicherheit soll dabei aber gewährleistet werden. Die Ergebnisse präsentierten jetzt die Mitstreiter des EU-Projekts "Detecting document fraud and identity on the fly" (D4FLY), das am 31. August nach drei Jahren Laufzeit endete.

Die 19 Partner aus elf Ländern machten unter anderem Fortschritte bei Techniken zur Dokumentenprüfung, erklärte der Koordinator Veridos. Neben dem Joint Venture der Bundesdruckerei und dem Konzern Giesecke+Devrient waren bei der Initiative, die die EU über das Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 mit knapp 7 Millionen Euro förderte, Grenzkontrollbehörden, Universitäten, Forschungsinstitute und weitere Industrieunternehmen dabei.

Einen Schwerpunkt des Projekts bildeten laut Veridos Instrumente, "die automatisch Anomalien in Dokumenten erkennen, indem sie Sicherheitselemente verifizieren und so die Inspektionszeiten verkürzen". So kreierte das Konsortium etwa ein Verfahren, das "anhand der Stempel in einem Reisepass das Reiseverhalten des Passinhabers analysiert". Dieses Werkzeug erkenne die Siegel, könne sie einzelnen Ländern zuordnen und lese Inhalte wie Ein- und Ausreisedaten aus.

Dafür kombiniere das System eine auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Bilderkennung mit der bereits länger existierenden OCR-Technik (Optical Character Recognition), führt der Koordinator aus: "Beamte müssen dadurch die Stempel in den Reisepässen nicht länger manuell sichten und auswerten, um zu rekonstruieren, in welchen Ländern sich eine Person wie lange und in welcher Reihenfolge aufgehalten hat."

Dieses System setzten Experten der Königlich Niederländischen Marechaussee bereits während der Projektlaufzeit erfolgreich ein, heißt es weiter. Sie nutzten das System demnach für eine "Second Line"-Inspektion im Rahmen zusätzlicher Kontrollen. Im Vergleich zu früheren Methoden sei der Verifizierungsprozess zehnmal schneller erfolgt. Auf der Basis der Rückmeldungen von Endnutzern sei das Projekt um eine Video-Unterstützung erweitert worden: Die Dokumentenprüfer können die Reisepässe damit vor Ort unter eine Kamera halten und umblättern, während das KI-System die Stempel parallel automatisch auslese.

Im Rahmen des Projekts entstand auch eine Smartphone-Anwendung zur Überprüfung etwa von Businsassen auch unter schwierigen Lichtverhältnissen. Reisende müssen sich dafür vorab in ihrem Herkunftsland an speziellen Anmeldekiosken registrieren lassen, wo ihre Pässe ausgelesen und Fotos von ihnen aufgenommen werden. Das System überträgt die Daten dann an die Mobiltelefone autorisierter Grenzbeamte. Bei der Einreise muss dann nur noch ein Kontrolleur durch das Fahrzeug laufen, um die Identität der Passagiere zu überprüfen. Die App gleicht dazu automatisch die Livebilder aus dem Bus mit den hinterlegten Fotos ab. Zusätzlich zeigt sie weitere Informationen wie die eingetragenen Passdaten an.

Für Flughäfen oder Kreuzfahrtterminals, wo oft viele Reisende auf einmal ankommen, entwickelte das Konsortium einen Prototyp zur biometrischen Identitätsüberprüfung in Bewegung. Dieses System wendet biometrische Verfahren wie 3D-Gesichtsbilderkennung, Iris-Verifikation und Somatotyp-Analysen anhand von Ganzkörperbildern an, während die Ankömmlinge durch einen Korridor gehen. Die darin erfassten Informationen werden mit den gespeicherten Referenzdaten der Reisenden verglichen. So sollen sich Wartezeiten erheblich verkürzen lassen.

Für Reisende, die den Korridor nutzen wollen, ist es erforderlich, sich vorab an einem speziellen "D4FLY-Kiosk" anzumelden. Die Beteiligten entwarfen dafür einen Prototyp. Weniger ausgefuchste "E-Gates" zur biometrischen Grenzkontrolle sind bereits an vielen Flughäfen in zahlreichen Ländern Usus. Die EU arbeitet generell an einem neuen Ein-/Ausreisesystem im Rahmen des "Smart Borders"-Programms. Im Hintergrund soll eine teure Biometrie-Superdatenbank entstehen. Mit Horizont 2020 förderte die EU auch umstrittene Projekte wie iBorderCtrl, mit dem eine Art Lügendetektor entstehen sollte.

Alle bei D4FLY entstandenen Techniken seien vollständig mit den Datenschutzbestimmungen der EU konform, betont Veridos daher. Zudem seien sie "mit umfassenden Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet". Dazu zählen Lösungen, "die Versuche erkennen, die biometrischen Verifikationsverfahren zu manipulieren oder zu überlisten". Ob und welche Entwicklungen in der Praxis umgesetzt werden, ist noch offen.

(olb)