Smarter Blindenstock hilft bei der Orientierung

Ein smarter Blindenstock könnte blinden und sehbeeinträchtigten Menschen dabei helfen, noch selbstbestimmter zu leben.

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Ein Proband scannt mit dem smarten Blindenstock bei einem simulierten Einkauf verschiedene Produkte in einem Regal.

(Bild: University of Colorado Boulder)

Lesezeit: 4 Min.

Ein Wissenschaftsteam der University of Colorado Boulder hat einen Stock für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen entwickelt, der ihnen dabei helfen soll, sich in Umgebungen in Innenräumen zurechtzufinden, die für sie nicht barrierefrei gestaltet sind. Der intelligente Stock nutzt dabei Computer-Vision-Technik und künstliche Intelligenz (KI), befindet sich aber noch in einem frühen Entwicklungsstadium.

Die selbstbestimmte Teilnahme blinder und sehbeeinträchtigter Menschen am sozialen Leben ist in manchen Fällen nur eingeschränkt möglich. Das Wissenschaftsteam rund um Shivenra Agrawal, Doktorand an der University of Colorado Boulder, hat sich dabei zwei Bereiche herausgepickt, in denen der übliche weiße Langstock, mit dem sich diese Menschen in ihrer Umgebung orientieren, nur wenig hilft: Einkaufen sowie Café- und Restaurantbesuche.

Der in der Studie "A Novel Perceptive Robotic Cane with Haptic Navigation for Enabling Vision-Independent Participation in the Social Dynamics of Seat Choice" beschriebene Stock hat aufgesteckte 3D-Kameras. Mit Computer-Vision-Technik kartiert und katalogisiert der Blindenstock seine Umgebung. Das ist besonders in verwinkelten Innenräumen von Bedeutung, in denen die Orientierung schwierig ist. Algorithmen werten die Bildinformationen aus und geben per Sprache und Vibrationen Feedback, wie sich Blinde und Sehbeeinträchtigte etwa in verwinkelten Ladengeschäften bewegen können.

Doch nicht nur die Orientierung im Supermarkt ist beim selbstständigen Einkaufen wichtig, auch die Produktauswahl selbst. Sehende können optisch schnell erfassen, was in einer Verpackung drin ist. In einem Regal, in denen mehrere Produkte in ähnlich geformten Verpackungen stehen, fällt die Auswahl den Nicht-Sehenden schwerer, denn ihnen hilft auch das Ertasten mehrerer Verpackungen nicht unbedingt weiter.

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Mit dem smarten Blindenstock können deren Inhalte erfasst und per Sprachausgabe ausgegeben werden. Anhand einer im System hinterlegten Datenbank können bevorzugte Produkte priorisiert ausgewählt werden. Der Stock gibt dann auch aus, wo sich das Produkt befindet und ob sich Blinde und Sehbeeinträchtigte mehr nach links oder rechts bewegen sollen, um es nehmen zu können.

Ein weiteres Problem für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen ist die Orientierung und das Finden eines Platzes etwa in einem Café oder Restaurant, wenn etwa keine Begleitperson dabei ist oder generell selbstbestimmt agiert werden soll. In diesen Fällen analysiert der Stock die Umgebung und findet einen Sitzplatz, der zwei von blinden Menschen bevorzugten Kriterien entspricht: Der Platz soll sich in der Nähe einer Wand befinden, um die Privatsphäre zu wahren und er soll so gewählt sein, dass kein Fremder gegenübersitzt.

Die Forschenden richteten in ihrem Labor ein Café mit Stühlen, Gästen und zusätzlichen Hindernissen ein, um den auf die Platzauswahlkriterien trainierten smarten Stock zu erproben. Die sehenden Probanden bewegten dazu mit verbundenen Augen den Stock im Raum, um ihn mit den Kameras zu scannen. Eine KI analysiert die verschiedenen Merkmale des Raumes und schlägt einen geeigneten Platz vor, zu dem der Stock Navigationshinweise ausgibt. In zehn von zwölf Fällen gelang das, wie das Wissenschaftsteam in der Studie beschreibt.

Noch ist der smarte Gehstock ein reines Forschungsprojekt und besitzt keine Marktreife. Die Forscher planen, ihn nun mit blinden Menschen auszuprobieren. Auch soll er kompakter gestaltet werden, sodass er zusammen mit einem herkömmlichen Smartphone genutzt werden kann. Bisher ist dafür noch ein Notebook in einem Rucksack nötig. Agrawal und seine Mitstreiter hoffen, mit ihrem Projekt auch andere Forschende für Hilfsroboter begeistern zu können: "Wir denken, dass die assistive Robotik das Potenzial hat, die Welt zu verändern."

(olb)