Smartphone am Steuer? Chinesische KI verteilt Strafzettel fĂĽrs Kopfkratzen
Die automatische Verkehrsüberwachung in China erkannte eine Smartphone-Nutzung beim Autofahren – dabei hatte sich der Fahrer nur am Kopf gekratzt.
Eine übereifrige Künstliche Intelligenz meinte einen Autofahrer beim Telefonieren am Steuer ertappt zu haben – dabei hob der Mann lediglich die Hand, um sich am Kopf zu kratzen. Die automatische Überwachung des Straßenverkehrs erkannte darin eine typische Bewegung, mit der man sein Mobiltelefon ans Ohr hält, und informierte die zuständige Behörde, die ein Bußgeld und Strafpunkte für den Verkehrsteilnehmer verhängte, berichtet die BBC.
Als Herr Liu sich am Kopf kratzte – und einen Strafzettel erhielt
Wie die Jilu Evening Post laut dem BBC-Bericht schreibt, war der Mann namens Liu in der Stadt Jinan in der nordöstlichen Provinz Shangdong unterwegs, als er von einer Verkehrskamera erfasst wurde. Daraufhin erhielt er ein behördliches Schreiben, in dem ihm "Fahren während des Haltens eines Mobiltelefons" vorgeworfen wird. Seine Fahrerlaubnis wurde mit zwei Strafpunkten belastet, außerdem erhielt er einen Bußgeldbescheid über 50 Yuan (ca. 6,50 Euro).
Nachdem sich der Fall mit einem Anruf bei der Behörde nicht klären ließ, veröffentlichte Liu das Überwachungsbild schließlich auf der Microblogging-Website Sina Weibo. Laut der chinesischen Zeitung Global Times hat die Verkehrsbehörde die Strafe mittlerweile zurückgenommen und darauf verwiesen, dass die Verkehrsüberwachung automatisch die Bewegungen der Fahrer erfasse und Aufnahmen mache, wenn etwas Verdächtiges erkannt werde. Weshalb die Gestenerkennung nicht zu einem – eigentlich naheliegenden – automatischen Abgleich mit den Telefondaten des Verkehrsteilnehmers führte, wurde nicht erläutert.
Datenschutz? Ach, komm: Was bleibt angesichts datengetriebener IT-Großprojekte zur Durchleuchtung der gesamten Bevölkerung noch vom Wesen der Privatheit?
Ă–ffentliche Ăśberwachung insbesondere per Gesichtserkennung trifft bei den chinesischen Staatslenkern auf wachsenden Zuspruch, etwa um unliebsame ethnische Minderheiten zu drangsalieren. Mitunter kann die Technik auch mal ĂĽbers Ziel hinausschieĂźen und etwa das Gesicht auf einem Werbeplakat fĂĽr den echten Menschen halten. Das Verwalten der Daten wird dabei Privatunternehmen ĂĽberantwortet, die teils einen recht sorglosen Umgang mit den gesammelten Informationen pflegen.
Bis zur geplanten Digitalisierung des sozialen Gruppendrucks in China, bei der per Punktevergabe die "persönliche Vertrauenswürdigkeit" von Bürgern und Politikern festgestellt wird, ist die KI-Technik hoffentlich ausgereift. Aber auch Algorithmen in westlichen Staaten sind noch nicht frei von Ausrutschern. In Deutschland hingegen hat sich Gesichtserkennung zur automatischen Erkennung von Straftätern schon "in beeindruckender Weise bewährt" – jedenfalls laut Horst Seehofer. (tiw)