Computex

Vorabtest: Der Snapdragon X Elite ist mit AMD Ryzen und Intel Core auf Augenhöhe

c’t konnte auf der Computex einige Zeit mit einem Snapdragon-X-Elite-Notebook verbringen und darauf gängige Benchmarks laufen lassen.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Im Rahmen des scheibchenweise erfolgten (und immer noch laufenden) Starts der Snapdragon-X-Prozessoren hat Qualcomm zwar bereits Benchmark-Ergebnisse veröffentlicht oder vorausgewählte Benchmarks unter Aufsicht laufen lassen. Unabhängige Messungen waren aber noch nicht möglich. Auf der Computex hatten wir nun die Möglichkeit, ohne Qualcomm-Aufsicht ein paar Stündchen ein Notebook zu testen, in dem der ARM-Prozessor Snapdragon X Elite lief.

Konkret handelte es sich um das Zwölfkern-Modell X1E-78-100, also die kleinste der drei Elite-Varianten. Qualcomm selbst nennt keine zulässige Abwärme der einzelnen Snapdragon-X-Modelle, doch dem Vernehmen nach befindet sich die Thermal Design Power (TDP) des X1E-78-100 in einem Bereich, der bei Intel als P-Serie zwischen 15 und 28 Watt laufen würde. Auch der kleinere Snapdragon X Plus X1P-64-100 operiert dort, während die höheren X-Elite-Modelle deutlich mehr verheizen: Der X1E-80-100 entspricht eher einem H-Prozessor (typischer 45 Watt) und der X1E-84-100 sogar einem HX-Prozessor.

Das Testsystem war ein Vorseriennotebook mit 16 GByte aufgelötetem LPDDR5X-Hauptspeicher und einer gesteckten M.2-SSD, das nicht in der ersten Welle an Snapdragon-X-Geräten auf den Markt kommen wird. Es waren noch nicht alle Treiber ausgereift (im Gerätemanager fanden sich noch Ausrufezeichen), die BIOS-Firmware war mehrere Monate alt und das zugehörige Windows 11 ist obendrein derzeit ebenfalls noch nicht fertig. Da die Vorinstallation veraltet war, haben wir vor den Tests den Insider-Build 10.0.26120.751 installiert, den uns Windows Update anbot.

Gleich zu Beginn: Die ganzen angekündigten KI-Helfer, die Copilot+ mitbringt, konnten wir nicht ausprobieren, weil sie schlicht noch nicht da waren. Das betrifft übrigens auch das gute Dutzend an Notebooks, die man derzeit schon vorbestellen kann: Unseren Quellen zufolge werden die nagelneuen Funktionen erst ab dem 13. Juni überhaupt zum Download bereitstehen. Auf den zum Starttermin 18. Juni ausgelieferten Notebooks mit Snapdragon X ist also ein veralteter Softwarestand vorinstalliert, sodass analog zu Videospielen erst einmal ein größerer Day-One-Patch nötig ist.

Was sehr wohl schon lief, waren gängige Benchmarks wie Cinebench, Geekbench oder 3DMark – also haben wir die angeworfen. Der Cinebench 2024 liegt in einer nativen ARM-Version vor, sodass der Snapdragon seine Muskeln spielen lassen konnte: Ein paar Zähler mehr als 100 Punkte bei Single- und fast 680 Punkte bei Multithreading-Last machen ihn zu einem ebenbürtigen Gegenspieler von Intels Core Ultra 100 (Meteor Lake) und AMDs Ryzen 8040U (Hawk Point).

Hinsichtlich Apples M3 muss man differenzieren: Im MacBook Air bremst ihn die passive Kühlung aus, sodass er bei Last auf allen Kernen langsamer ist; im MacBook Pro mit aktiver Kühlung schafft er hingegen mehr als der X1E-78-100. In beiden Fällen hat Apple die Nase bei Single-Thread-Last vorne – und das mit rund 140 Punkten sogar deutlich.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die dickeren Modelle X1E-80-100 und X1E-84-100 in dieser Hinsicht schlagen werden: Sie verheizen zwar wie oben geschrieben mehr Energie, bekommen im Gegenzug aber auch Turbostufen oberhalb der Nominalfrequenz, was speziell bei Einkernrechenaufgaben helfen sollte. Der X1E-78-100 muss ohne Turbo auskommen und konnte im Testsystem selbst den Nominaltakt von 3,4 GHz nicht bei Last auf allen Kernen halten: Im Cinebench pendelte sich die Frequenz bei Last auf allen Kernen laut Windows Task-Manager um die 2-GHz-Marke ein.

Snapdragon X auf einer Hauptplatine (nicht der Zwölfkerner X1E-78-100 im Testsystem, sondern ein künftiger Ableger mit voraussichtlich acht Kernen, über den Qualcomm noch nicht spricht).

(Bild: c't / mue)

Der Geekbench 6 liegt ebenfalls in einer nativen ARM-Version vor; wir haben für unsere Messungen Version 6.3.0 herangezogen. Hier muss sich der (turbolose) X1E-78-100 im Singlethread-Test mit rund 2200 Punkten knapp hinter die Turbo-versorgte Konkurrenz von AMD, Apple und Intel einordnen, beim Multithread-Test liegen die fast 13.800 Punkte etwas über der Konkurrenz.

Die Aussagen beziehen sich allesamt auf Chips, die sich im selben TDP-Bereich tummeln. Die HX-Prozessoren von AMD und Intel sowie Apples M3 Pro/Max schaffen höhere Werte, verheizen aber auch mehr Energie. Wir sind daher sehr gespannt, was der X1E-84-100 zu Boden bringen vermag.

Nach den eher prozessorlastigen Benchmarks Cinebench und Geekbench haben wir uns dem Grafik-Benchmark 3DMark zugewandt. Dieser enthält mit Night Raid schon länger einen Subtest, der in einer ARM-Version vorliegt – wir haben gut 25.000 Punkte gemessen. Das ist deutlich mehr als noch die 13. Core-i-Generation erzielt hat. Der aktuelle Core Ultra 100 schafft solche Werte jedoch ebenfalls, wenn Notebookhersteller ihm ausreichend Stromaufnahme zugestehen. Letzteres ist wichtig, denn obwohl es bei Core Ultra nominell nur noch U- und H-Modelle gibt, operieren viele Notebooks weiterhin in P-Gefilden bis 28 Watt.

Mit rund 5700 Punkten im Fire Strike und weniger als 1900 Punkten im Time Spy muss sich der X1E-78-100 der aktuellen x86-Konkurrenz geschlagen geben. Da ist wenig verwunderlich, denn diese beiden Tests liegen nur als x86-Kompilat vor. Ergo greift die Emulationsschicht von Windows, die Performance frisst.

Man muss aber gar nicht so weit zurückgehen, um ähnliche Ergebnisse bei x86-Notebooks anzutreffen, nämlich nur bis zur 13. Core-i-Generation. Das ist an sich dann doch wieder ein beachtliches Ergebnis, denn kaum jemand wird von einem solchen Notebook zu einem Snapdragon-Gerät wechseln. Wer von einem älteren Notebook kommt, bekommt also so oder so höhere Grafikleistung.

AMDs Radeon 780M liegt über den Werten der Adreno-Grafikeinheit im Snapdragon, doch man findet sie nur in Ryzen-7-Modellen – die Radeon 740M der Ryzen 5 ist viel langsamer. Gerne hätten wir auch mit der Grafikeinheit des M3 verglichen, doch unter macOS gibt es als sinnvollen 3DMark-Test dafür nur Solar Bay. Dieser Test ließ sich auf dem Snapdragon-Notebook allerdings genauso wenig starten wie die beiden anderen Raytracing-Tests Port Royal und Speed Way.

Der nagelneue Steel Nomad (gut 420 Punkte) und dessen abgespeckter Ableger Steel Nomad Light (über 1900 Punkte) liegen in nativem ARM-Code vor, doch in keinem der beiden erzielte das Testgerät flüssige Bildwiederholraten – im regulären Steel-Nomad-Durchlauf waren sie sogar nur im mittleren einstelligen Bereich. Vergleichswerte aktueller x86-Notebooks haben wir nicht in petto, doch die ruckelnde Grafik belegt grundsätzlich die etablierte Weisheit, dass integrierte Grafikeinheiten in der Windows-Welt nicht für Blockbustertitel mit hohen Details und schicken Effekten genügen.

Das Testsystem lief bis auf die fehlenden Treiber ohne Auffälligkeit und reagierte jederzeit flüssig auf Eingaben. Während unserer Tests sind uns keinerlei Hakler, Aussetzer oder Grafikfehler aufgefallen, die einem den Spaß an einem Windows-on-ARM-Notebook vermiesen würden. Das war früher bei Windows-on-ARM-Geräten noch ganz anders – und das damals bei als serienreif verkaufter Hardware und nicht bei Vorseriengeräten wie dem jetzt geprüften. Die gezeigte stabile Basis ist mehr als willkommen, denn das ist das, worauf es vielen Early Adoptern bei den neuen Notebooks mit Snapdragon X erst einmal ankommen wird. Copilot+ ist da eher die Kirsche obendrauf.

Messungen der Leistungsaufnahme oder von Akkulaufzeiten konnten wir bislang nicht durchführen. Dafür sollten generell keine Ausrufezeichen im Windows-Gerätemanager mehr vorhanden sein. Außerdem waren langen Laufzeiten auch kein Problem bisheriger Windows-on-ARM-Notebooks: Es mangelte vor allem an Performance. Das sieht jetzt ganz anders aus: Der Qualcomm Snapdragon X Elite ist zumindest auf Augenhöhe mit der aktuellen x86-Technik.

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(mue)