Snowden wehrt sich nach Kritik an Fernsehshow-Auftritt

Nach der Teilnahme an einer "Fernsehsprechstunde" des russischen Präsidenten Wladimir Putin hagelt es Kritik an Edward Snowden auch aus den eigenen Reihen. Seine Rechtfertigungsversuche im britischen Guardian können nicht wirklich überzeugen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Was hat Edward Snowden bewogen, unter der Woche an einer "Fernsehsprechstunde" des russischen Präsidenten Wladimir Putin teilzunehmen und dabei eine Frage zu stellen, die Putin in einer solchen Situation selbstverständlich nicht wahrheitsgemäß beantworten wird? "Unterbindet, bewahrt oder analysiert Russland in irgendeiner Form die Kommunikation von Millionen Menschen?" wollte Snowden vom russischen Präsidenten wissen – und bekam prompt eine Antwort, die selbst die NSA nicht beschwichtigender hätte formulieren können.

Man habe gar nicht das Geld und die technischen Mittel für so etwas, sagte Putin im Fernsehen, und außerdem würde Russland sich ein derart "unkontrolliertes Ausmaß der Überwachung" nicht erlauben. Wie viele Tage sind seit den Olympischen Winterspielen in Sotschi vergangen? Und wie heißt nochmal das russische Pendant zu PRISM? Richtig: SORM, ebenfalls ein Überwachungssystem, mit dem russische Behörden die Kommunikation der Bürger jederzeit abhören und daraus gewonnene Informationen jahrelang vorhalten können.

Für Snowden-Kritiker war der Video-Auftritt denn auch ein gefundenes Fressen. Die Frage zur Massenausspähung in Russland sei "idiotisch" und "peinlich" gewesen, verbreitete beispielsweise der frühere US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, über Twitter. Vizekanzler Sigmar Gabriel kritisierte die Videoschalte in der ARD-Sendung "Beckmann" am Donnerstagabend als "obszön". "Mich erinnert das an Schauprozesse, in denen man Leute vorführt. Das zeigt, wie sehr für den Mensch Snowden dort schwierige Bedingungen herrschen und dass Putin das brutal ausnutzt", sagte der SPD-Politiker.

Snowden selbst rechtfertige sich in der britischen Zeitung "Guardian". Er habe gehofft, "dass Putins Antwort – wie auch immer sie ausfällt – die Möglichkeit für seriöse Journalisten und die Zivilgesellschaft öffnet, die Diskussion fortzuführen". Kontra bekam Snowden von russischen Menschenrechtlern. Unter Putin seien die Vollmachten der Geheimdienste in den vergangenen Jahren systematisch ausgeweitet worden; die Dienste agierten außerhalb des Rechts, hieß es. Der ehemalige Direktor des Inlandsgeheimdienstes Putin hatte in der Fernsehsendung dagegen gesagt, "unsere Geheimdienstaktivitäten sind immer streng vom Gesetz geregelt".

Jillian York, Direktorin für internationale Meinungsfreiheit bei der US-Bürgerrechtsbewegung Electronic Frontier Foundation (EFF), wirft Snowden vor, "Softball" mit Putin zu spielen. Wenn Snowden tatsächlich so viel wisse, wie er vorgebe, schreibt York, hätte ihm klar sein müssen, dass er mit seinem Beitrag Putin in die Karten spielt. Snowden hatte die USA im vergangenen Sommer verlassen und Zuflucht auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo gesucht. Offenbar wollte er weiterreisen, um in einem anderen Land Asyl zu finden, das gelang ihm aber nicht. Russland gewährte ihm ein Jahr Asyl, das Ende Juli ausläuft. (pmz)