Intelligentes Ketchupflaschenventil lässt Softroboter auf Umgebung reagieren

Ohne Computeransteuerung reagieren ein Softroboter und eine Roboterhand mit modifizierten Ketchupflaschenventilen auf ihre Umgebung.

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(Bild: AMOLF (Screenshot))

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Inhaltsverzeichnis

Roboter, die sich natürlich bewegen und taktil auf ihre Umwelt reagieren, ähneln am meisten lebenden Organismen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des niederländischen Forschungsinstituts AMOLF haben einen Softroboter entwickelt, der ohne zentralen Computer und ohne Steuerungselektronik auskommt und nur aufgrund seiner im Roboterkörper enthaltenen "Reflexe" auf seine Umgebung reagieren kann. Dabei greift das Forscherteam auf ein "intelligentes" Ketchupflaschenventil zurück, das es ermöglicht, den mit Luftdruck betrieben Roboter beim Laufen auf seine Umgebung reagieren zu lassen.

Zentrales Element des vierbeinigen Roboters aus weichem Silikon ist ein an Ketchupflaschen angelehntes Ventil. Das Wissenschaftsteam bezeichnet es in ihrem in der Fachzeitschrift Matter veröffentlichtem Paper "A fluidic relaxation oscillator for reprogrammable sequential actuation in soft robots" als "hysteretisches Ventil". Dahinter verbirgt sich eine Ventil-Variante, wie sie in Ketchupflaschen genutzt wird. Dort ermöglicht das Ventil eine genaue Dosierung des Ketchups und verhindert gleichzeitig das Auslaufen, wenn die Flasche auf dem Kopf steht. "Aber wenn man die Flasche auf den Kopf stellt und richtig fest zudrückt, spritzt der Ketchup manchmal und macht eine Sauerei", sagt Bas Overvelde, Leiter der Soft Robotic Matter Group an der AMOLF. Das passiert dann, wenn die Öffnung wiederholt schnell geöffnet und geschlossen wird. Das Forscherteam hat herausgefunden, dass man sich dieses Verhalten zunutze machen kann, um damit einen Roboter anzutreiben.

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Zunächst erstellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Computermodell eines Ventils, um dessen Eigenschaften über winzige Klappen in der Ventilöffnung so anzupassen, dass das Ventil plötzlich öffnet, sobald der Druck hoch genug ist. Dazu druckten sie das Ventil im 3D-Druckverfahren aus Silikon und schnitten danach per Laser kleine Kerben in die Ventile, um die gewünschte Eigenschaft zu erzielen. Zusätzlich schließt dieses Ventil langsam wieder, sobald der Druck deutlich gesunken ist. Beim Anschließen an eine Pumpe und ein Reservoir entsteht so ein kontinuierlicher Druckauf- und -abbau, den das Forscherteam dazu nutzt, um die künstlichen Muskeln eines Softroboters abwechselnd anzuspannen und zu entspannen.

Die vier Beine aus weichem Material des Roboters werden dabei von je einem hysteretischen Ventil gesteuert, die lediglich von einer einzigen Pumpe mit Luft versorgt werden. Auf seine Umgebung reagiert der Roboter dadurch, dass sich bei einem Auftreffen des Roboters auf ein Hindernis der Druck im Roboterkörper ändert. Der Roboter wechselt dann selbstständig in eine andere Gangart, wie Tests im Labor zeigten.

Inspiriert von dem laufenden Softroboter entwickelte das Wissenschaftsteam eine Roboterhand mit fünf weichen Fingern. Zur Demonstration lassen sie die Finger auf einer Tastatur "schreiben". Trifft ein Finger auf eine Taste, reagiert das System darauf selbstständig so, dass sich der Finger automatisch wieder anhebt. Gezielt angesteuert haben die Wissenschaftler die Hand dabei nicht. Es handelt sich eher um ein rhythmisches Rumgehacke auf einem Keyboard. Das Beispiel verdeutlicht aber grundsätzlich, wie das System auf den Druck auf eine Taste automatisch reagieren kann. "Unsere Softroboter reagieren auf die Umgebung, ohne dass ein zentraler Computer das steuern muss", sagt Luuk van Laake, Doktorand an der AMOLF.

Zudem lasse sich durch einen solchen weichen Roboter nicht nur Computerleistung, sondern auch Energie einsparen. "In lebenden Organismen ergeben sich viele Bewegungen und Verhaltensweisen aus der Form des Körpers und der Mechanik der Muskeln, anstatt dass das Gehirn alle Bewegungen steuert", sagt van Laake und nennt das Herz als Beispiel, bei dem automatisch der Druck in der linken und rechten Herzkammer ausgeglichen wird. Auch Sehnen arbeiten energieeffizient, indem sie gespeicherte elastische Energie beispielsweise beim Gehen wieder freigeben. Ähnlich sieht es bei dem System mit modifiziertem Ketchupflaschenventil aus.

(olb)