Software-Bündel: EU-Kartellwächter fühlen Microsoft wegen Teams auf den Zahn

Die EU- Kommission wirft Microsoft vor, seine Videokonferenz-Software Teams unfair mit MS Office 365 zu verknüpfen. Konkurrent Slack hatte sich beschwert.

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(Bild: wichayada suwanachun / Shutterstock.com)

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Microsoft droht weiteres Ungemach aus Brüssel. Die EU-Kommission bereite ein Kartellverfahren gegen den Softwareriesen vor, berichten das Handelsblatt und die Financial Times. Anlass ist demnach, dass der US-Konzern sein Videokonferenzsystem Teams mit seinem Office-Paket MS 365 kombiniert und sich so womöglich einen unfairen Marktvorteil verschafft. Dem Vernehmen nach soll die wettbewerbsrechtliche Untersuchung bereits nächste Woche offiziell eingeleitet werden. Offiziell wollte sich die Kommission zu den laufenden Ermittlungen noch nicht äußern.

Die EU-Kommission reagiert damit auf eine Beschwerde von Slack. Der in Kanada gegründete, mittlerweile zum US-Unternehmen Salesforce gehörende Anbieter von Messaging- und Produktivitätssoftware wandte sich vor drei Jahren an die Kommission und monierte, Microsoft handle mit der Einbindung von Teams in Office "illegal und wettbewerbswidrig". Millionen Kunden seien zur Installation gezwungen worden, die Deinstallation werde verhindert. Damit würden die wahren Kosten der Kommunikationslösung verschwiegen.

Hintergrund ist, dass während der Corona-Pandemie vorher oft geschmähte Videokonferenzdienste an Attraktivität gewannen. Sowohl Slack als auch Microsoft konnten die Nutzerzahlen für ihre jeweiligen Dienste steigern. Microsoft profitierte aber deutlich stärker von der Umstellung von vielen Firmen aufs Homeoffice und den dafür nötigen Programmen. Da viele Geschäftskunden bereits für MS 365 zahlten, führten sie bevorzugt das damit gebündelte Teams ein.

Microsoft wollte eine kartellrechtliche Prüfung partout verhindern, heißt in den Meldungen. Weil der Konzern Windows-Nutzern keine freie Wahl bei Browsern gelassen hatte, musste er 2013 eine halbe Milliarde Euro Strafe zahlen. So bot er der Kommission unlängst Berichten zufolge an, Teams aus Office herauszulösen. Auch ein Ende des "Gratis"-Angebots der Videolösung soll zur Debatte gestanden haben. Doch es gelang beiden Seiten bislang nicht, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

"Wir arbeiten bei der Untersuchung weiterhin kooperativ mit der Kommission zusammen", erklärte ein Microsoft-Sprecher gegenüber heise online. "Wir sind offen für pragmatische Lösungen, die auf ihre Bedenken eingehen und den Kunden gute Dienste leisten."

Amit Zavery, Hauptgeschäftsführer von Google Cloud, monierte vor Kurzem, Microsoft binde Kunden mit altbekannten Tricks an den eigenen Cloud-Dienst Azure und baue künstliche Mauern gegen Wettbewerber auf. Teams "ist nicht gerade ein großartiges Produkt", brachte der Manager ein Beispiel gegenüber "c't". Seit es Teil von MS 365 sei, habe das Programm aber eine beherrschende Position bei Kollaborationssoftware erlangt. Das Angebot, Teams wieder aus Office herauszunehmen, laufe leer: Die Nutzer hätten sich längst daran gewöhnt. So könnte Microsoft letztlich sogar die Preise für Teams als Einzelprodukt erhöhen. Wettbewerber blieben dabei genauso auf der Strecke wie die Innovation.

"Microsoft bündelt seine Produkte mit der unverzichtbaren Office-Suite und bevorzugt so die hauseigene Azure-Cloud gegenüber konkurrierenden Cloud-Infrastrukturen", kommentiert Francisco Mingorance, Generalsekretär des europäischen Cloud-Betreiberverband CISPE, die aktuellen Ermittlungen der Brüsseler Kartellwächter. "OneDrive und Defender werden ebenfalls mit Microsoft Office gebündelt, um Wettbewerber auszuschließen. ChatGPT ist als Nächstes an der Reihe." Die Geschäftsstrategie Microsofts bestehe darin, "überhöhte Preise zu verlangen und die Kunden davon abzuhalten, Softwareprodukte außerhalb von Azure zu nutzen". Sich auf den guten Willen, freiwillige oder geheime Vereinbarungen und nicht einklagbare Zugeständnisse eines marktbeherrschenden Unternehmen zu verlassen, werde dessen unlautere Praktiken nicht stoppen.

CISPE, zu dessen großen Mitgliedern der US-Konzern Amazon mit seinem Cloud-Dienst AWS gehört, reichte im November Beschwerde über das breitere Spektrum von Bündelungs- und Kopplungsfallen bei der Kommission ein. Der französische Cloud-Dienstleister OVHcloud beklagte sich im Sommer 2021 in Brüssel darüber, dass Microsoft die eigene marktbeherrschende Stellung missbrauche. Der deutsche Dienstleister Nextcloud machte beim Bundeskartellamt und in Brüssel gegen den Konzern mobil. Microsoft versprach im Mai Abhilfe. Auch in diesem größeren Rahmen ermitteln die EU-Wettbewerbshüter aber inzwischen. Das Bundeskartellamt prüft zudem, ob Microsoft eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat und schnelleres Eingreifen erforderlich ist.

(axk)