Computex

Solid-State-Kühler: Frore rüstet Seriennotebook auf AirJet um

Das Start-up Frore Systems demonstriert auf der Computex seine AirJet-Kühler in verschiedenen Szenarien, darunter einem umgebauten Samsung-Notebook.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 17 Kommentare lesen
Update
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Zum Jahreswechsel überraschte Frore Systems mit der Ankündigung eines nahezu lautlosen Solid-State-Kühlers namens AirJet. Wir haben das Kühlsystem auf der Computex genauer in Augen- und Ohrenschein genommen.

Statt eines sich drehenden Lüfters vibrieren in einem kompakten Kupfergehäuse dünne Membranen. Das geschieht praktisch lautlos, weil die Membranen im Ultraschallbereich von 23 bis 25 Kilohertz arbeiten, was jenseits des menschlichen Hörspektrums liegt (bis 20 kHz; im Alter viel weniger). Die angesaugte Luft trifft im Inneren senkrecht auf die plane Gegenseite, was zunächst verwundern mag, aber Teil des Konzepts ist: Durch die hohe Geschwindigkeit von laut Frore rund 200 km/h wird selbst die engste dort anliegende Luftschicht weggerissen, sodass kein Hitzestau entstehen kann. Der hohe statische Druck von 1750 hPa – Notebooklüfter schaffen üblicherweise etwa ein Zehntel davon – schiebt die erwärmte Luft dann aus einer seitlichen Düse.

Beschreibung des Frore AirJet Mini; ein solches Modul soll 5,25 Watt Abwärme bewältigen.

(Bild: Frore Systems)

Erst dort entsteht durch Verwirbelungen mit der Umgebungsluft dann hörbarer Schall, der allerdings recht leise ist: Bei der Produktdemonstration in einem klimatisierten Konferenzraum (und damit nicht in einer lärmenden Messehalle) musste man schon nahe mit dem Ohr an einen laufenden AirJet herangehen, um das Rauschen überhaupt wahrzunehmen. Auch der Ultraschall an sich sei für andere Lebensformen, die solche Töne anders als Menschen hören können, kein Problem: Frore hat dazu zwar keine belegbaren Studien, doch die Firmenpolitik sei hundefreundlich, sodass insgesamt drei Vierbeiner regelmäßig in der Firma zu Besuch seien – ohne dabei irgendwelche Auffälligkeiten zu zeigen.

Das erste mit AirJets zu kaufende Produkt wird der MiniPC Pico PI430AJ sein, den Zotac schon im Vorfeld der Computex vorgestellt hat. Dieser war ursprünglich wohl als rein passiv gekühlter Kleinstrechner gedacht, doch das hätte den verwendeten Intel-Prozessor Core i3-N300 stark ausgebremst. Zwei AirJet-Modulen, die jeweils gut 5 Watt wegschaufeln, verhindern das Heißlaufen.

Dass der Pico PI430AJ das AirJet-Debüt übernimmt, war nicht von langer Hand geplant. Unsprünglich hatte Frore nur Notebooks im Sinn, doch nach der Produktpräsentation auf der CES kann sich das Start-up nicht mehr vor Anfragen retten. Eine der kontaktsuchenden Firmen war just Zotac; das finale Gerätekonzept ist also noch nicht einmal ein halbes Jahr alt.

Frore AirJet (7 Bilder)

In Kürze kommen die größeren AirJet Pro (links); das Debüt geben die kleineren AirJet Mini (rechts, mit Staubfiltern über den Einlässen).

[Update 1.6.2023: Bilderstrecke aktualisiert]

Der ursprüngliche Fokus auf Notebooks war auf der Messe an einem anderen Ausstellungsstück sichtbar: Frores Ingenieure haben ein flaches Samsung Galaxy Book2 Pro auf AirJet-Kühlung umgerüstet. Eigentlich waren vier AirJets angedacht, doch die Aussparung, die davor der Lüfter eingenommen hat, ließ nur Platz für deren drei. Dennoch läuft das Demogerät besser als im Originalzustand. Den Wärmetransfer von der CPU zu den AirJets übernimmt bei der modifizierten Variante eine Vapor Chamber.

Andere Produktkategorien haben sich dann durch Anfragen erschlossen. So hat Frore AirJets in ein externes SSD-Gehäuse eingebaut, wodurch die SSD zwar nicht schneller (weil Thunderbolt limitiert), aber zehn Grad kühler läuft. Ein Anbieter von Deckenbeleuchtungen muss LED-Leuchtmittel nicht mehr mit großen und schweren Passivkühler bestücken, sondern kann nun viel kompaktere Gehäuse vorsehen. Und die AirJets passen auch in kamerabestückte smarte Türklingeln, weil Algorithmen zur Gesichtserkennung und anderen Anforderungen ebenfalls immer mehr Rechenleistung benötigen.

Im Pico PI430AJ und in allen gezeigten Prototypen steckten AirJet Mini; nur diese Bauform ist derzeit schon in der Massenproduktion. Bis Jahresende soll die größere Version AirJet Pro folgen, die etwas breiter und rund doppelt so lang ausfällt und gut 10 Watt wegkühlen kann. Sie hat ziemlich genau die Länge einer M.2-2280-SSD, weshalb das dann die deutlich sinnigere Wahl für SSD-Kühler wäre. Grundsätzlich lassen sich aber beliebig viele Airjets nebeneinander packen: Es gibt schon Anfragen eines Serverherstellers, der gerne 60 Stück nebeneinander hätte – also rund 300 Watt Kühlleistung.

Wann nach dem Pico PI430AJ weitere Seriengeräte mit AirJets folgen sollen, wollte Frore nicht verraten. Gemäß dem ursprünglichen Plan liefen jedoch Projekte mit Notebookhersteller. Dort dürften größere Anpassungen als beim Pico nötig sein, was längere Entwicklungszeiten nach sich zieht – und Notebookhersteller richten sich bei ihren Produktzyklen obendrein weniger nach dem Kühlsystem, sondern an CPU-Generationen, deren Rhythmus AMD und Intel vorgeben.

Frore gibt offen zu, dass die Airjets teurer als bisherige Kühllösungen für kompakte Notebooks sind, nennt aber keine konkreten Zahlen. Integratoren bekommen eine zugesicherte Lebensdauer von zehn Jahren, und in dieser Zeit sei kein Verschleiß zu beachten: Die Membranen könnten zwar durch Staub blockiert werden, doch AirJets werden mit Staubfiltern vor dem Einlass ausgeliefert – was wegen des hohen Drucks wesentlich weniger Einschränkungen mit sich bringt als bei herkömmlichen Lüftern. Und wer versehentlich Cola ins Notebook kippt, muss auch bei herkömmlichen Kühlern (und anderen internen Komponenten) mit Schäden rechnen.

Frore Systems arbeitet bereits an der Nachfolgegeneration der AirJets, die noch dünner als bisherige Modelle ausfallen. Diese sind zwar gerade einmal 2,8 Millimeter flach, doch das ist für manche Ideen wie Gaming-Smartphones halt immer noch zu dick. (mue)