Sony will Cloud-Gaming-Anbieter Gaikai kaufen

Die Übernahme des Streaming-Anbieters könnte große Auswirkungen auf künftige Playstation-Konsolen und Spiele-Angebote auf Smart-TVs haben.

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Sony Computer Entertainment will den Cloud-Gaming-Anbieter Gaikai kaufen. Wie der japanische Unterhaltungskonzern am Montag bekannt gab (PDF-Datei), haben sich die beiden Unternehmen am 30. Juni auf einen Preis von 380 Millionen US-Dollar geeinigt. Sollten staatliche Behörden keine kartellrechtlichen Bedenken haben, soll der Preis für 100 Prozent der Firmenanteile von Gaikai Ende August bar bezahlt werden.

Mit Gaikais Cloud-Technik können Spiele auf Browser, Smartphones, Tablets, Smart-TVs und Settop-Boxen gestreamt werden. Die Geräte senden die Steuersignale zu einer von Gaikai betriebenen Server-Farm und empfangen von dieser einen Video- und Audio-Stream des laufenden Spiels. Die Endgeräte müssen lediglich die Audio- und Video-Streams dekodieren, die eigentliche Berechnung findet auf den Servern statt. Für den Empfang einer HD-Auflösung mit 720p benötigt Gaikai eine Datenrate von etwa 5 MBit/s. Dank schneller Kodierverfahren ist die Latenz kurz genug für schnellere Action-Spiele. Gaikai demonstriert seine Technik auf seiner eigenen Webseite anhand einiger Demoversionen von PC-Spielen.

Gaikai wurde 2008 vom Industrie-Veteran David Perry gegründet und gilt derzeit neben Onlive als weltweit größter Anbieter von Cloud-Spielen. Doch im Unterschied zu Onlive ist Gaikai nicht selbst ins Geschäft mit Endkunden eingestiegen, sondern bietet seine Technik als Dienstleistung für Spiele-Publisher wie Electronic Arts an, die über Gaikai Demos in Web-Seiten einbinden. In den vergangenen Wochen hatte Gaikai zudem Kooperationen mit den koreanischen Fernsehherstellern Samsung und LG angekündigt, die ihre kommenden Smart-TVs mit Cloud-Streaming-Angeboten ausstatten wollten. Ob diese Verträge nach dem Sony-Deal weiterhin bestand haben, ist derzeit offen.

Gerüchte über die Übernahme gab es schon länger. Insider hatten eine Ankündigung bereits zur Spielemesse E3 erwartet. Aus Banker-Kreisen war zu hören, Gaikai suche einen Käufer, der mehr als 500 Millionen US-Dollar zahlen würde. Insofern kann Sony den nun ausgehandelten Preis als Erfolg verbuchen. Gaikais Technik ermöglicht es Sonys Computer-Entertainment-Sparte, künftig Spiele über das Playstation Network nicht nur als Download, sondern auch als Stream anzubieten. Die Streams könnten dabei nicht nur von der PS3, sondern auch von Sony-Fernsehern, Notebooks, Smartphones, Tablets und Blu-ray-Playern empfangen werden. Sony will zusätzlich seine unter dem Logo "Playstation certified" laufenden Android-Geräte und die Playstation Vita mit Spiele-Apps ausrüsten, die mit der Entwicklungsumgebung Playstation Mobile programmiert werden. Während das SDK kleinere einfache Spiele zum Download abdeckt, ließen sich aufwendigere Titel künftig streamen.

Man kann davon ausgehen, dass die Streaming-Technik auch bei einer der PS3 folgenden Konsole zum Einsatz kommt, die für Ende 2013 erwartet wird. Diese neue Playstation-Konsole bräuchte nun keine besonders leistungsfähigen Prozessoren mehr, sondern könnte wesentlich günstiger produziert werden und würde Spieler mit keinem lauten Lüfterlärm stören – ein kleines lüfterloses 100-Euro-Kästchen wie das Apple TV würde bereits genügen.

Weil es sicherlich schwierig wäre, eine Abwärts-Kompatibilität zu auf den Cell-Prozessor abgestimmten PS3-Spielen herzustellen, könnte Sony die Spielebibliothek der PS3 auf den Nachfolger schlicht streamen. Kunden würden für die Streams ein Abo mit monatlichen Gebühren abschließen, ähnlich wie es derzeit Onlive anbietet. Im gleichen Zug würde Sony auch das Problem illegaler Kopien und das des Gebrauchtmarkts eliminieren. Die grafische Qualität der Videospiele könnte künftig kontinuierlich mit dem Ausbau der Server-Zentren wachsen und wäre nicht mehr von dem etwa fünfjährigen Zyklus der Konsolen-Hardware abhängig. Jedoch wird Sony seine kommende Playstation wohl noch nicht komplett als reine Online-Konsole anbieten, denn dann könnten sie das Gerät nur in Industrienationen mit entsprechender Infrastruktur vermarkten.

Fraglich ist, ob das für Herbst angekündigte Google-TV NZS-GS7 nun tatsächlich einen Onlive-Client mitbringen wird, wie in dessen Spezifikationen zu lesen ist. Nach der Gaikai-Aquise scheint es eher unwahrscheinlich, dass Sony einen Streaming-Konkurrenten auf eigenen Geräten zulassen wird, gelten Cloud-Angebote für Spiele, Filme und Musik doch als probates Mittel, um die Kundschaft langfristig an den eigenen Gerätepark zu binden. Analysten glauben, dass sich Sonys Konkurrenten Microsoft und Nintendo nun ebenfalls nach Cloud-Gaming-Anbietern wie Onlive oder Otoy umsehen werden. (hag)