Spanien: Fertigmachen zur Nothilfe

Das Land ist definitiv Rettungskandidat; die EU-Kommission schlägt vor, dass der europäische Rettungsschirm nun doch direkt Banken retten soll

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Es war nicht anders zu erwarten - angesichts der abstürzenden spanischen Banken: José Manuel Durão Barroso will laut unterschiedlichen Medienberichten beim EU-Gipfel Ende Juni fordern, dass Banken nun direkt über den dauerhaften europäischen Rettungsfonds ESM gestützt werden sollen, um die europäischen Banken zu stabilisieren. Mit der Erweiterung der Kompetenzen solle "eine direkte Rekapitalisierung durch den ESM ins Auge gefasst werden". Dies soll aus einem Arbeitspapier der Kommission hervorgehen.

Unmittelbare Hilfen an Banken sind weder im ESM noch im EFSF vorgesehen

Der ESM, der im Juli sein Arbeit aufnehmen und den temporären EFSF ergänzen soll, darf bisher nur Staaten unterstützen. Durch eine Direktfinanzierung über den ESM kann die Verbindung zwischen Banken und Staatsschulden aufgebrochen werden. Doch derlei Vorhaben hat Brüssel stets widersprochen. Der ESM-Vertrag, der schon von einigen Ländern ratifiziert wurde, sieht das auch nicht vor.

Unmittelbare Hilfen an Banken sind weder im ESM noch im EFSF vorgesehen. Gelder zur Rekapitalisierung der Banken können nur über ein Hilfsprogramm des betroffenen Staates abgerufen werden, der damit die Verantwortung übernimmt und die Auflagen zur Sanierung akzeptieren muss. Vor allem Irland musste Nothilfe beantragen, weil das Haushaltsdefizit wegen der massiven Bankenrettung im Land regelrecht explodiert war.

Niemand glaubt noch ernsthaft daran, dass Spanien die nötige Summe alleine aufbringen kann

Letztlich gesteht man in Brüssel mit dem Vorstoß nun aber auch ein, dass Spanien real nach den bisherigen Kriterien längst Nothilfe benötigt. Das Land, so wird allseits geschätzt, braucht mindestens 100 Milliarden Euro, um sein abstürzendes Bankensystem retten zu können.

Niemand glaubt noch ernsthaft daran, dass Spanien die nötige Summe alleine aufbringen kann. Die große französische Tageszeitung "Le Monde" legte es deshalb dem "stolzen" Regierungschef Mariano Rajoy in einem Leitartikel nahe, "sein Telefon in die Hand nehmen und Brüssel anrufen". Es könne zwar "erniedrigend" sein, "unter das Joch des Internationalen Währungsfonds oder Brüssels zu geraten", doch für die Gemeinschaftswährung sollte Rajoy nicht zu lange warten. Schon Portugal und Irland hätten zu lange behauptet, keine Nothilfe zu benötigen und damit die Lage weiter verschlimmert.

Verschleierungskonstruktion, um Haushaltsdefizit nicht zu steigern

Um dem stolzen Spanier erneut Brücken zu bauen, nachdem erst kürzlich von Brüssel das spanische Defizitziel aufgeweicht wurde, versucht die Kommission nun offenbar diese neue Nebelkerze zu zünden, um spanische Banken direkt über den ESM zu finanzieren. Mit dieser neuen Konstruktion soll aber auch verzweifelt verschleiert werden, dass die Krisenpolitik bisher nicht verhindern konnte, dass nun auch das viertgrößte Euroland angesichts seiner massiven Probleme faktisch Nothilfe braucht. Letztlich ist das, wogegen sich vor allem Berlin wehrt, sogar etwas ehrlicher. Stets ging es bei der Nothilfe vor allem um. getarnte Bankenrettungen.

Der Brüsseler Vorstoß am Freitag kommt nicht von ungefähr, denn zuvor hatte sich die Europäische Zentralbank (EZB) geweigert, spanische Tricksereien mitzumachen. Die rechte Rajoy-Regierung hatte geplant, spanische Staatsanleihen direkt bei der EZB gegen Geld einzutauschen, um damit die viertgrößte Bankia-Bank zu retten. Weil deren Bilanzen massiv aufgehübscht waren, musste die Bank nun verstaatlicht werden, was den Steuerzahler erneut 19 Milliarden Euro kosten soll. Schon bei der Fusion von sieben gestrauchelten Sparkassen waren 4,5 Milliarden Euro an Staatshilfen geflossen.

Über den von Rajoy nun vorgeschlagen Trick sollte das Haushaltsdefizit nicht steigen, sondern nur die allgemeine Staatsverschuldung. Die EZB habe aber gedrängt, dass Spanien eine richtige Geldspritze benötige, hatte die Financial Times am späten Dienstag berichtet. Nun soll eben diese Geldspritze offenbar vom ESM kommen.

Zuspitzung der Lage

Tatsächlich hat sich die Lage in Spanien am Mittwoch weiter dramatisch zugespitzt. Der Risikoaufschlag für spanische Staatsanleihen ist gegenüber Bundesanleihen auf ein neues und noch gefährlicheres Rekordhoch geklettert. Der Spread explodierte auf ein neues Allzeithoch von 541 Punkten und schloss sogar mit 539 Punkten ebenfalls auf einem neuen Rekordwert. Damit muss Spanien schon fast 5,5 Prozentpunkte höhere Rendite als Deutschland für zehnjährige Anleihen bieten. Zwischenzeitlich war der Aufschlag wieder gefallen, als Wirtschaftskommissar Olli Rehn ebenfalls erwartungsgemäß angekündigt hat, dass Spanien nun ein Jahr länger Zeit bekommen soll, um sein Haushaltsdefizit auf die Stabilitätsmarke von 3% zu senken. Das hatten längst alle Spatzen von den Dächern in Madrid und Brüssel gepfiffen.

Dass Spanien angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen und der Entwicklungen in seinem Bankensystem das Defizit entsprechend senken wird, glaubt wohl auch Rehn nicht ernsthaft. Doch die zeitliche Streckung ist nur konsequent, schließlich hatte Brüssel prognostiziert, dass das spanische Defizitziel 2013 noch immer 6,3% betragen werde.

In die Rezession gespart

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte erst kürzlich in Aussicht gestellt, dass das Land, das gerade so richtig tief in die Rezession gespart wird, die Stabilitätsgrenze frühestens 2018 wieder erreichen könnte. Doch wusste sogar der IWF dabei noch nicht, dass das Land die Korrektur der Korrektur der Defizitkorrektur melden musste.

Nun soll es 2011 sogar 8,91% betragen haben, vor allem weil sich die Regionen Madrid und Valencia - seit Jahren von Rajoys PP regiert - verrechnet haben. Damit haben die Konservativen ganz offensichtlich große Probleme, wie sich nicht zuletzt auch bei Bankia zeigte. Die Großbank wurde vom ehemaligen PP-Wirtschaftsminister Rodrigo Rato geführt, der nach einem Zwischenstopp als Chef des IWF schließlich die Absturzbank leitete und so richtig an die Wand gesetzt hat. Statt einem Gewinn von 41 Millionen Euro hatte die 2011 aber einen Verlust von mehr als drei Milliarden, stellte sich inzwischen heraus.