Spaniens Sozialisten wählen Unbekannten zum Chef

Der Madrider Pedro Sánchez will als neuer Parteichef die abgewirtschaftete Partei wieder an die Macht führen

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Die Mitglieder der spanischen Sozialisten (PSOE) haben bei einer Abstimmung am Sonntag Pedro Sánchez Pérez-Castejón zum neuen Generalsekretär gewählt. Knapp 49 Prozent der Stimmen erhielt der 42-Jährige, womit der Ökonom aus Madrid seine beiden Kontrahenten ausgestochen hat. Der Professor der Universität Camilo José Cela de Madrid vereinte gut 62.000 Parteimitgliedern hinter sich. Fast 67 Prozent der knapp 200.000 Mitglieder haben sich an der Abstimmung beteiligt. Er wird formal auf einem Parteikongress Ende Juli im neuen Amt bestätigt werden.

Der "hübsche Pedro" ist der große Unbekannte. Anders als sein größter Widersacher Eduardo Madina war Sánchez für den großen Teil der Basis bisher genauso unbekannt wie für die Bevölkerung. Zwar ist der Baske Madina mit 38 Jahren noch jünger, doch er hatte nicht den Bonus des Neuen in einer Partei, die sich nach verheerenden Wahlschlappen die Wunden leckt. Denn Madina, auf den gut 36 Prozent der Stimmen entfielen, ist Fraktionsvorsitzender der PSOE im Parlament. Er wird aber mitverantwortlich für den Absturz der PSOE in der Wählergunst gemacht. Der 59-jährige Philosophieprofessor José Antonio Pérez Tapias kam abgeschlagen auf 15 Prozent. Er hatte als Linker nicht die Unterstützung der einflussreichen andalusischen Regierungschefin Susana Díaz in seiner Heimatregion, die wegen der Mitgliederstärke als wahlentscheidend galt.

Nach der Wahl erklärte Pedro Sánchez, er werde eine Führung bilden, "die so links wie die Parteibasis ist". Mit solch schwammigen Aussagen will er die schwer gebeutelte Partei im kommenden Jahr zum Sieg über die konservative Volkspartei (PP) führen. "Heute hat das Ende von Mariano Rajoy als Regierungschef begonnen", sagte er selbstbewusst in Madrid.

Dieses Ziel klingt utopisch, denn die Wähler wissen, dass es die PSOE war, welche an der Regierung bis 2011 mit der Kürzungs- und Sparpolitik begann, die von Rajoys PP nur verschärft wurde. Vergessen ist nicht, dass sie gemeinsam die Verfassung änderten, um eine Schuldenbremse einzubauen und dem Schuldendienst Vorrang vor Sozialleistungen gaben. Deutlich wurde das bei den Europaparlamentswahlen im Mai, als die PSOE in der Opposition das historisch schlechteste Ergebnis einfuhr. Dass die PP massiv abgestraft wurde, half ihr dabei nicht. Dafür mussten der bisherige Parteichef Alfredo Perez Rubalcaba und andere Parteiführer den Hut nehmen.

Dem großen Unbekannten kamen seine Telegenität zugute und er konnte sich als angeblich unbelasteter "einfacher Basisaktivist" geben, der erst kürzlich in die Politik gegangen sei. Dabei stand er seit elf Jahren immer wieder auf PSOE-Listen zur Wahl, allerdings meist erfolglos. Sánchez versucht zwar nun, sich ein linkes Profil zu verpassen, doch er klebte bisher eng am Parteiapparat. Dafür wurde er von der andalusischen Regierungschefin unterstützt, die von Rubalcaba eingesetzt worden war. Die PSOE verlor in ihrer Hochburg 2012 die absolute Mehrheit und kann in Andalusien nur noch dank einer aufstrebenden Vereinten Linken (IU) regieren. Sánchez gilt als Ziehsohn der ehemaligen Minister José Blanco und Trinidad Jiménez, die eher für einen Rechtskurs standen.

Er kündigte nun aber an, "die Identitätsmerkmale der PSOE zurückerobern, die Schwächsten schützen, Spanien vereinen und eine klarere Stimme in Europa haben". Er will ein Spanien, dass "den Arbeitern und der Umwelt verpflichtet ist" und verstärkt Korruption bekämpfen, die auch Blanco vorgeworfen wird. Wie er das tun will, ließ der neue Parteichef offen, der eine unrühmliche Rolle bei der Aufsicht der Sparkasse Caja Madrid (heute Bankia-Bank) spielte, die mit Steuermilliarden gerettet wurde. Über drei Jahre segnete er die zweifelhaften Verkäufe von Hybridanleihen (preferentes) ab, mit denen Sparer um ihre Einlagen betrogen wurden, wie Gerichte längst in vielen Fällen festgestellt haben. Alles in allem ist das nicht gerade das Profil für einen Neubeginn mit Linksschwenk.

Sánchez positioniert sich aber so, um der aufstrebenden Linken begegnen, die weiter Zulauf erhält. Eine am Montag von der Wirtschaftszeitung "El Economista" veröffentlichte Umfrage zeigt den ungebremsten Absturz seiner PSOE an. An der IU vorbeiziehend schickt sich nun die neue Empörten-Partei "Podemos" (Wir können es) an, zur PSOE aufzuschließen. Sie war die Überraschung bei den Europaparlamentswahlen. Würde nun das Parlament neu gewählt, käme sie nun mit 16,3 Prozent sogar auf mehr als doppelt so viele Stimmen wie noch im Mai und läge nur noch gut fünf Prozentpunkte hinter der PSOE.

Die Linke profitiert auch davon, dass PP und PSOE gerade Felipe nach dem Abdanken von Juan Carlos zum neuen König und Militärchef gekrönt haben. Dabei hatten auch an der PSOE-Basis viele ein Referendum darüber gefordert, ob das Land weiter eine vom Diktator Franco restaurierte Monarchie oder eine Republik sein soll. (http://www.heise.de/tp/artikel/41/41928/1.html) Keiner der PSOE-Kandidaten für den Chefsessel – die sich alle als Republikaner bezeichnen - hatte sich dafür eingesetzt. Nach Ansicht von Experten läge aber in der Republik eine Möglichkeit, den nach Unabhängigkeit strebenden Katalanen und Basken eine Alternative in Spanien anzubieten.

Für einen glaubwürdigeren Linksschwenk oder an der Frage des zerfallenden Staats wären die beiden Gegenkandidaten sicher geeigneter gewesen. Während Tapias als Mitglied der PSOE-Strömung "Linke Sozialisten" ein klareres linkes Profil aufweist, hat Madina mehr Sensibilität für die Lösung von Konflikten mit den nationalen Minderheiten. Obwohl er selbst Opfer eines Anschlags der baskischen Untergrundorganisation ETA wurde und ein Bein dabei verlor, setzte er sich stets für eine friedliche Konfliktlösung über Verhandlungen ein. Und Tapias will die Katalanen, die im November über die Unabhängigkeit abstimmen wollen, wenigstens in einer unverbindlichen Abstimmung befragen, um auf der Basis der Ergebnisse über Reformen zu debattieren. Sánchez setzt dagegen angeblich auf eine Verfassungsänderung, also auf die bisherige Linie der PSOE. Die kann so weiter dahinter verstecken, dass die PP jede Veränderung ablehnt und damit die nötigen Mehrheiten für reale Veränderungen nicht vorhanden sind.