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Spieleförderung: Wohin mit dem Merkel-Bonus?

Gamescom Torsten Kleinz
Minecraft

Die Games-Branche schwimmt zur Gamescom auf einer Welle politischer Unterstützung. Doch wie und wann soll das politische Kapital eingelöst werden? Auf der Gamescom suchen Verbände und Politiker nach Lösungen.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Politiker vor der Spiele-Szene aus Furcht vor einer neuen Killerspiel-Debatte zurückgeschreckt sind. Durch die Eröffnung der Gamescom durch Bundeskanzlerin Angela Merkel fühlt sich die Branche auf bisher nicht gekannte Weise bestätigt – und versucht nun, ihren neuen Status in Form von staatlichen Zuschüssen einzufordern.

In der Gamescom-Wahlkampfarena [1] hatte zum Beispiel CDU-Generalsekretär Peter Tauber eine Abkehr von alten Einschränkungen bei der Games-Förderung in Aussicht gestellt: Nicht mehr nur kulturell wertvolle und pädagogische Spiele sollen in Zukunft gefördert werden, auch sollen künftig auch mögliche Blockbuster zu den Empfängern staatlicher Zuschüsse gehören.

Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) und der Bundesverband der deutschen Games-Branche e.V. (GAME) haben bereits ihre Förderpläne vorgestellt. So fordert GAME [2] insgesamt 100 Millionen Euro pro Jahr für kleine und mittlere Unternehmen aus der Spiele-Branche. Auf dem Gamescom-Kongress zeigt sich der BIU noch offener für verschiedene Förder-Maßnahmen. “Es geht darum, ein Ziel zu definieren”, betont Geschäftsführer Felix Falk. Er zeigt sich optimistisch, dass den Absichtserklärungen im Wahlkampf auch ein entsprechender Absatz in der Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung stehen wird.

Mit einer Branchenstudie [3] versuchen die Verbände zu belegen, dass Förderungen zum einen überfällig, zum anderen gut angelegt sind. So ergab die Studie, dass alleine der Kernmarkt der Spiele-Branche derzeit 14.000 Beschäftigte hat, darunter 8000 Entwickler. Trotz der publik gewordenen Entlassungen [4] bei großen Anbietern sei der Jobmarkt stabil, erklärt Professor Jörg Müller-Lietzkow von der Universität Paderborn, der an der Studie mitgearbeitet hat: “Die Unternehmen haben nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen." ( Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online: heise jobs - der Stellenmarkt auf heise online [5])

Zudem haben die deutschen Spieleentwickler mit 42 Prozent eine wesentlich höhere Exportquote als andere Kulturprodukte wie Bücher oder Filme. Gleichzeitig stellten die Autoren der Studie fest, dass im Vergleich zu anderen Kreativbranchen nur relativ wenige Arbeitnehmer als Teilzeitangestellte oder in prekären Verhältnissen arbeiten – und das bei wesentlich geringeren Förderquoten als in anderen Staaten oder in anderen Branchen wie der Filmindustrie.

Um die Förderung durch die Bundesländer zu koordinieren, haben sechs Länderorganisationen und sieben von der Branche selbst getragene Unterstützer-Netzwerke die neue Dachorganisation "Games Germany" offiziell gegründet [6]. Dabei fehlen bisher sowohl einige Bundesländer, als auch die Bundesregierung, die sich bisher nur beim Deutschen Computerspielepreis engagiert. Hier beklagte Falk auch eine Ungleichbehandlung: Bei keinem anderen Kulturpreis des Bundes müssten die Preisträger selbst zum Preisgeld beitragen.

Die unterschiedliche Fördersituation zeigt sich auch bei der Konkurrenzfähigkeit deutscher Entwicklungsstudios, erklärt Linda Breitlauch, Vize-Chefin von GAME. “Wo gefördert wird, macht sich das auch in Neugründungen bemerkbar”, sagt Breitlauch – Bundesländer ohne entsprechende Förderprogramme bleiben aber eher außen vor. Um aufwändige Entwicklungen zu finanzieren, setzten deutsche Entwickler häufig auf die Finanzierung durch Publisher, die dafür aber einen Großteil der Rechte an den produzierten Spiele überschrieben bekämen. Eine verlässliche Förderung in ausreichender Höhe könnte wesentlich dazu beitragen, dass deutsche Studios ihre eigenen Marken aufbauen können.

Nicht jede vorgeschlagene Förderung macht für die Spiele-Branche tatsächlich Sinn. So wird gerne diskutiert, ob E-Sport olympisch werden solle. Die Forderung kommt zwar beim Publikum immer gut an, doch wie zum Beispiel Martin Müller vom Verein Magdeburg eSports e.V. auf dem Gamescom-Kongress ausführte, fehlen dem Sport dazu bisher die grundlegendsten Strukturen. So gibt es nach Müllers Zählung in Deutschland gerade einmal sieben lokal orientierte Vereine, die sich um E-Sport als Breitensport kümmern – und das bei 800.000 bis 1,5 Millionen aktiven Spielern in Deutschland. Die Profi-Spieler sind meist in strikt kommerziell organiserten Clans organisiert.

Zudem erscheint ein Wettbewerb, der nur alle vier Jahre stattfindet, im schnelllebigen E-Sport nur begrenzt sinnvoll. So setzt der kommerziell organisierte Ligenveranstalter ESL mit gleich drei Spielesaisons pro Jahr auf ein hochgetaktetes Spielerleben. Zudem wechseln die E-Sport-Titel im Wettbewerb relativ häufig. (jk [7])


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https://www.heise.de/-3811638

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Die-ganz-grosse-Gamer-Koalition-3810712.html
[2] http://game-bundesverband.de/foerderung/
[3] http://www.hamburgmediaschool.com/forschung/center-labs/audiovisuelle-produktion/studie-zur-computer-und-videospielindustrie-in-deutschland/?type=interaktivieren
[4] https://www.heise.de/news/Hamburger-Spiele-Entwickler-Goodgame-Studios-entlaesst-Mitarbeiter-3300462.html
[5] https://jobs.heise.de/
[6] http://medien.nrw.de/de/startschuss-fuer-games-germany-ist-gefallen/
[7] mailto:jk@heise.de