Spyware Pegasus: US-Rüstungsfirma will angeblich Hersteller NSO übernehmen

L3Harris, das unter anderem Aufklärungs- und Systeme für Nachrichtendienste herstellt, soll an der NSO Group interessiert sein. Das sorgt in den USA für Unruhe.

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(Bild: T. Schneider/Shutterstock.com)

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Das US-amerikanische Technologieunternehmen L3Harris, das auf Systeme für Nachrichtendienste und militärische Aufklärung spezialisiert ist, will den israelischen Spyware-Hersteller NSO Group übernehmen. Das berichten die israelische Zeitung Haaretz, die Washington Post und der britische Guardian, die sich auf nicht genannte Quellen berufen. Über das Geschäft werde noch verhandelt, es müsste noch von Israel, den USA sowie dem L3Harris-Vorstand genehmigt werden.

Die NSO Group liefert Überwachungssoftware für Regierungen und staatliche Behörden. Ihre Anwendung Pegasus nutzt Sicherheitslücken in Software aus, um die Geräte der Zielpersonen mit Trojanern zu infizieren. Im Sommer 2021 wurde bekannt, dass Staats- und Regierungschefs sowie mindestens 180 Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschafter und Diplomaten mit Pegasus ausspioniert wurden. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, die Software an autoritäre Regierungen zu verkaufen, die damit Oppositionelle und Journalisten ausspionieren. Die NSO Group weist diese Vorwürfe regelmäßig zurück.

Das US-amerikanische Handelsministerium hatte NSO im November 2021 auf seine Sanktionsliste gesetzt, nachdem bekannt geworden war, dass Smartphones von US-Beamten in Afrika mit Pegasus ausgeforscht wurden. Dadurch konnte NSO keine Technik aus den USA mehr nutzen. Falls die Übernahme durch L3Harris genehmigt würde, könnte NSO von der Liste genommen werden, wird befürchtet.

Darüber habe sich ein "hochrangiger Mitarbeiter" im Weißen Haus zu Washington tief besorgt gezeigt, schreibt Haaretz. "Die US-Regierung lehnt Bemühungen ausländischer Unternehmen ab, US-Sanktionen zu umgehen", zitiert die Washington Post den Beamten, der nicht genannt werden wolle. Unternehmen, die auf der Sanktionsliste stehen, würden nach einer Übernahme nicht automatisch daraus gestrichen.

John Scott-Railton, leitender Forscher der US-Bürgerrechtsorganisation Citizen Lab, zeigte sich auf Twitter über die Berichte besorgt. Falls die US-Regierung das Geschäft genehmigen würde, sei das "grausam" für die Menschenrechte. Zudem würde US-Präsident Joe Biden mit seinem Demokratie-Programm ein Eigentor erzielen. NSO sei mit einem ausländischen Geheimdienst verknüpft, ehemalige Geheimdienstler würden für das Unternehmen arbeiten, erläutert Scott-Railton. Falls NSO in die Hand von L3Harris übergehe, würden wohl eher nicht die westlichen Geheimdienste wie CIA, NSA oder GCHQ dessen zweifelhafte Software nutzen wollen, möglicherweise aber Polizeibehörden, erläuterte Scott-Railton gegenüber Haaretz.

Fraglich sei zurzeit, ob die NSO Group nach einer Übernahme mitsamt der Mitarbeiter in Israel verbleiben würde, ob Israel Kunde bleibe und auf die Technik weiter zugreifen könne, schreibt die Zeitung. Von NSO, L3Harris und der israelischen Regierung liegen den drei Zeitungen nach Anfragen keine Stellungnahmen vor.

Ende 2021 wurde berichtet, dass Eigner der NSO Group mit möglichen Investoren über eine Refinanzierung einen Verkauf verhandeln. Dabei könnte die Entwicklung von Pegasus eingestellt und NSO auf Cyberabwehrsysteme und Drohnentechnik ausgerichtet werden. Pegasus ist der größte Geschäftsbereich des Unternehmens und steht laut Bloomberg für etwa die Hälfte des Umsatzes, der für 2021 mit rund 230 Millionen US-Dollar beziffert. Zu der Zeit hieß es, die NSO Group könne möglicherweise ihre Schulden nicht mehr bedienen.

(anw)